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Die Sisters sind süß und politisch

Cape Malay Koeksisters, frittierte Teigbällchen, sind in Kapstadt mehr als ein Dessert. In einer von Kolonialismus und Apartheid geprägten Community bedeuten sie ein Stück kulinarische Selbstbehauptung

Von Nicole Paganini

Im Dezember ist in Südafrika Sommer und Hochsaison. Zwischen den bunt gestrichenen Häusern von Bo-Kaap hängt Sonntagmorgens ein Duft aus Zimt, Kardamom und warmem Öl in der Luft. In diesem Teil von Kapstadt leben die Cape Malay. Ihre Vorfahren wurden im 17. und 18. Jahrhundert aus Indonesien, Malaysia, Indien und Ostafrika ans Kap verschleppt. Unter niederländischer Kolonialherrschaft sollten Sprache, Religion und soziale Bindungen ausgelöscht werden. Später trieb die Apartheid sie an die Ränder der Stadt: von den hügeligen Gassen des zentralen Bo-Kaap in die Cape Flats, in deren Townships Menschen bis heute ausgegrenzt leben. Dass ihre Küche sich erhalten hat, ist auch ein Akt der Selbstbehauptung.

Koeksisters, frittierte Teigbällchen, gehören in dieses kulinarische Gedächtnis. Die Cape-Malay-Version ist weich, sirupgetränkt, gewürzt mit Kardamom, Ingwer, Zimt und Nelke. Ein Gegenentwurf zur bekannteren niederländisch-afrikaansen Koeksister, die hart, geflochten und zuckrig-kristallen daherkommt. Der gemeinsame Name leitet sich zwar vom niederländischen „koek“ für Kuchen ab, doch Geschmack, Form und Bedeutung der Cape-Malay-Koeksister sind ihre eigenen. Die Gewürze der Koeksisters, also viel Zimt und Kardamom, immer Nelke, manchmal Ingwer, kamen im 17. Jahrhundert über dieselben kolonialen Handelsrouten ans Kap, über die sie auch nach Europa gelangten.

Traditionell werden Koeksisters an Sonntagen und zu Festtagen gebacken – zu Ramadan, Eid, Hochzeiten, manchmal auch zu Weihnachten. Und obwohl in Südafrika im Dezember Sommer ist, passen die warmen Gewürze auch gut in hiesige Winterküchen. In vielen Straßen beginnt der Morgen damit, dass Nachbarinnen Schüsseln austauschen, Kinder warme Papiertüten von Tür zu Tür tragen und jede Familie ihre Variante verteidigt: etwas mehr Kardamom hier, etwas weniger Zucker dort. Essen wird hier zu einer alltäglichen Geste der Verbundenheit. In einer Stadt, in der die Menschen noch immer nach Hautfarben getrennt leben, ist diese Verbundenheit viel politischer, als die meisten Touristen es beim Schlendern durchs Viertel wahrnehmen.

Koeksisters sind weit mehr als ein Dessert: Sie sind ein kulinarisches Archiv einer von Kolonialismus und Apartheid geprägten Community.

Die Zubereitung ist einfach und doch eine kleine Zeremonie. Für den Teig werden 250 Gramm Mehl, ein Teelöffel Backpulver, 30 Gramm Zucker, 30 Gramm weiche Butter, ein Ei und 80 ml Milch mit einer guten Prise Kardamom, etwas Zimt und geriebenem frischem Ingwer zu einem weichen, leicht klebrigen Teig verknetet. Daraus ovale, kleine Bällchen formen. Während sie im Öl goldbraun brutzeln, köchelt auf dem Herd ein Sirup aus Wasser, Zucker und einer Zimtstange. Die Koeksisters dürfen direkt aus dem Öl in den warmen Sirup, wo sie sich vollsaugen, schwerer werden und nach dem Bad schön glänzen. Warm gegessen, sind sie weich, würzig und süß.

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