Der wilde Mix macht‘s: „The Deadly Snakes“ im Molotow : Die Schuhsohlen strapazieren
Fette Fäustlinge, hochgezogene Schultern und Blitzeis kennt der Hamburger zur Genüge. Darum zieht es ihn, wenn das Fernweh nagt, eher in südliche Gefilde als beispielsweise nach Kanada. Das könnte durchaus ein Fehler sein, denn das Land hat mehr zu bieten als bizarre Schneeberge und hungrige, in den Wäldern umherstreifende Bären. Hätten sonst über vier Millionen Menschen aus mehr als 100 Kulturen Toronto zur Homebase erklärt?
Die anziehende Wirkung Kanadas dürfte niemanden mehr wundern, der den Film Bowling for Columbine gesehen hat. Denn Michael Moores Leinwanddokumentation offenbarte ein ebenso irritierendes wie sympathisches Verhalten der Kanadier: Selbst in den Metropolen ist es offenbar üblich, die Haustür nicht abzuschließen. So freimütig gibt sich das Völkchen im Norden der USA.
Ähnlich aufgeschlossen ist auch die Musik der dortigen Rock‘n‘Roll-Szene. Jedenfalls was The Deadly Snakes betrifft. Das sind sechs Musiker um Mitte 20, die sich ganz unverblümt aus dem Fundus feinster amerikanischer Traditionsmusik bedienen: Aus störrischen Bluesgitarren, Gospelbeat, Folkfeeling und Staxsoul-Gebläse brauen sie einen neuen, mitreißenden Mix, wie der dritte Longplayer Ode To Joy aus der Presse des Minilabels „In The Red Records“ beweist.
Auch wenn die Platte bisher kaum einer kennt und die Jungs aus Toronto mit ihrer Garagenrevue zum ersten Mal Europa heimsuchen – sie dürfen damit rechnen, in der Hansesestadt groß gefeiert zu werden, weil ihr Landsmann und Seelenbruder King Khan mit seiner Soulshow den Weg schon bereitet hat, weil die Deadly Snakes auf sechs Jahre Bühnenerfahrung blicken, weil ihr Sänger so frech an wenigen Tönen klammert wie Bob Dylan in besseren Zeiten und weil Hamburgs Tanzwütige am liebsten zu Soul‘n‘Roll die Schuhsohlen strapazieren – auch und gerade, wenn die Zehen schon ein bisschen klamm sind. Susie Reinhardt
Freitag, 21 Uhr, Molotow