Die Schere beim Einkommen wird größer: Die Armen werden immer ärmer
Eine Studie von Wirtschaftsforschern kommt zu dem Ergebnis, dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird.
Laut einer neuen Studie (pdf-Datei) des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung könnte aber tatsächlich einiges an der Behauptung dran sein, dass sich die Schere öffnet.
Die am Montag veröffentlichten Forschungsergebnisse legen nahe, dass sich das Einkommen in Deutschland in den vergangenen Jahren eher ungleicher verteilt hat – zugunsten des wohlhabenden Teils der Bevölkerung. IMK und ZEW widersprechen damit den Ergebnissen des Armuts- und Reichtumsberichts (pdf-Datei), den die damalige Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen im März 2013 vorgestellt hatte und der sich auf die Arbeit mehrerer Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stützt. Ihr Fazit damals: Seit 2005 drifteten das Einkommen nicht mehr auseinander.
Der Knackpunkt: Beide Forschungsansätze lassen sich nur schwer miteinander vergleichen. Das DIW greift auf Daten des sogenannten sozioökonomischen Panels (SOEP) zurück, einer jährlichen Haushaltsbefragung von gut 20.000 Menschen. Das deckt laut DIW-Forscher Jan Göbel „99 Prozent der gesamten Bevölkerung ab“, allerdings nicht das eine, wohlhabendste Prozent. Superreiche kommen in dieser Statistik also nicht vor, weil sie schwieriger zu erreichen seien und sich nur ungern befragen lassen.
IMK und ZEW nutzen für ihre Arbeit eine Stichprobe aus dem Taxpayer Panel (TPP). Es enthält die Daten von 27 Millionen Menschen in Deutschland, die eine Einkommenssteuererklärung schreiben. Darin sehen die Forscher Haushalte mit hohem Einkommen realistischer abgebildet, dafür fehlen relativ arme Haushalte ohne Steuererklärung. Aus dem TPP errechnet sich für die Jahre 2005 bis 2008 und 2010 ein Anstieg der Ungleichheit. Grund seien höhere Kapitalerträge der Reichsten in diesen Jahren, die im SOEP nicht erfasst sind.
Mit den bisher vorliegenden Daten des SOEP aus den Jahren 2011 und 2012 gehen auch die DIW-Forscher davon aus, dass hohe Einkommen deutlich stärker wachsen als niedrige. Unter dem Strich dürften Stammtische und Kabarettsäle also recht behalten.
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