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Die Scheidung verhindernTraining für die ewige Liebe

Heiraten ist eine riskante Sache: Jedes dritte Paar reicht irgendwann die Scheidung ein. Fachleute setzen deshalb auf Ehevorbereitungskursen.

Was so anfängt, kann durchaus übel enden. Bild: dpa

Sie sind gekommen, um zu lernen, wie man es richtig macht. Für eine glückliche Ehe reicht Liebe allein nicht, man muss auch etwas dafür tun. Langstielige, rote Rosen stehen in einer Vase auf dem Teppichboden. Daneben liegen verstreut Postkarten mit romantischen Motiven. Im CD-Spieler läuft Kuschelrock-Klassik Volume 11. Sechs Pärchen sitzen im Stuhlkreis und sehen aus, als hätten sie heute ihren ersten Schultag. In den nächsten drei Stunden werden sie Tipps bekommen, wie man eine erfolgreiche Ehe führt. Die Blicke sind auf den Boden gerichtet, niemand sagt ein Wort im großen Saal der Katholischen Bildungsstätte Paderborn.

Die kleine Gruppe, die sich hier versammelt hat, gehört einer aussterbenden Minderheit an. In Deutschland sinkt die Zahl der Paare, die sich entschließen zu heiraten. Viele leben zwar zusammen, verzichten aber auf Heiratsurkunde und Gottes Segen. Im vergangenen Jahr haben sich 368.922 Paare das Ja-Wort gegeben, so wenige wie seit zehn Jahren nicht mehr. Durchschnittlich hält eine Ehe 14 Jahre lang. Dann ist es meistens die Frau, die sich scheiden lassen will. Und der Ärger fängt an: Anwaltskosten, Unterhaltszahlungen, Streit um Wohnung und Kinder.

Zur Begrüßung sollen alle Anwesenden nach einer der Postkarten greifen. Die Motive symbolisieren Zweisamkeit. "Woran denkt ihr, wenn ihr eure Karte anseht?" fragt Johannes Brüseke, der das Seminar leitet. Es dauert etwas, bis sich jemand überwindet und beginnt. Sabrina wählt einen Sonnenuntergang mit zwei Palmen, der sie an ihre Heimat Sizilien erinnert. Dort wird sie demnächst ihren Freund Dennis heiraten. Die anderen Teilnehmer wählen ein Ruderboot, weil "es alleine schwer ist und gemeinsam leichter", zwei verschiedenfarbige Blumen, weil sie wie Paare "gleich und doch verschieden" sind, zwei Gartenstühle, "wegen der Bodenständigkeit".

Als gelungenes Beispiel dafür, wie eine Ehe funktioniert, sitzen Dominik und Veronika mit im Stuhlkreis. Sie sind seit zwei Jahren verheiratet und heute Abend hier, um die Heiratswilligen zu ermutigen. "Sicherheit kann keiner geben" sagt Dominik und schaltet den Beamer an, "aber wenn man auf diese Punkte achtet, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass alles gut geht." Auf die Leinwand werden die zehn Regeln projiziert, die der amerikanischen Psychologin Judith Wallerstein zufolge, das Geheimnis glücklicher Ehen ausmachen. "Einander trösten, stützen, ermutigen" steht da zum Beispiel, oder "einen sicheren Ort für Streit und Konflikte schaffen", auf einer anderen Folie: "einen idealisierenden wie realistischen Blick auf den Partner haben." Man solle den anderen bewundern, ihn aber auch nicht mit Brad Pitt oder Angelina Jolie vergleichen, erläutert Dominik. Anschließend werden die Teilnehmer aufgefordert, zu bewerten wie gut ihre Partner die Regeln erfüllen. Die Skala reicht von eins bis zehn. Dennis und Sabrina geben sich überall sehr viele Punkte. "Das haben wir aber auch ohne die Liste gewusst", sagt Dennis.

Er ist heute Abend nicht ganz freiwillig hier. Wer den ewigen Bund der Treue nicht nur vom Standesamt, sondern auch von Gott besiegeln lassen möchte, dem wird der Ehevorbereitungskurs von katholischen Pfarrern "dringend empfohlen". In einigen Gemeinden ist der Besuch sogar verpflichtend. Dennis und Sabrina möchten in ihrerHeimat Sizilien heiraten. Das erlaubt ihnen der italienische Pfarrer nur dann, wenn das Paar ihm bescheinigen kann, dass es einen Ehevorbereitungskurs besucht hat. Dasselbe gilt für ein anderes Pärchen. Sie sind bereits standesamtlich verheiratet und wollen nun in Polen kirchlich heiraten. Aber nicht für alle ist der Abend eine Pflichtveranstaltung: ein Paar betont, dass es aus eigenem Interesse hier ist. Für sie war es nicht leicht, einen Kursus zu finden. Denn Hochzeiten sind ein Saisongeschäft, die meisten Kurse finden im Frühjahr statt und nicht im Herbst.

Auf dem Boden wird nun eine Landkarte ausgebreitet. Es handelt sich nicht um eine geografische Karte, sondere um eine aus dem Atlas der Liebe. Mit bunten Filzstiften sind aufgemalt: ein Weg, ein Gemüsegarten, eine Vogelnest, ein Café und ein Gebirge und eine Mülltonne. Nun sollen die Teilnehmer kleine Kärtchen ziehen, laut vorlesen, was darauf steht, und sie dann auf der Landkarte dort hinlegen, wo sie ihrer Meinung nach hingehören. "Verzeihen können", liest Dennis. Er überlegt kurz und legt das Kärtchen dann ins Nest. Das gehört für ihn nach Hause. Niemand widerspricht, also wird es dort angeklebt. In der nächsten Runde zieht er das Kärtchen "in wichtigen Lebensfragen übereinstimmen." Er legt es auf den Gipfel, weil es ihm besonders wichtig ist. Auf dem nächsten Kärtchen steht "einen gemeinsamen Glauben haben", das birgt Sprengstoff. Eine Teilnehmerin will ihr zukünftiges Kind sofort nach der Geburt katholisch taufen, ihr Freund ist strikt dagegen. Manche murren, andere nicken zustimmend. Wenn es nach Dennis ginge, würde das Kärtchen im Mülleimer landen.

Was tun, damit es in der Ehe nicht doch irgendwann ernsthaft kracht? Auch dagegen kann man sich in Paderborn wappnen. "Ein partnerschaftliches Lernprogramm" (EPL) heißt das Seminar für junge Paare. Die katholische Bildungsstätte Paderborn bietet es an und die Nachfrage ist groß. In Rollenspielen lernen Paare, wie man Missverständnisse vermeidet, Streitereien schlichtet, Kompromisse schließt. Viele kommen erst in die Therapie, wenn es schon zu spät ist. Das Ziel der Paartherapeuten heißt deshalb Prävention und der Erfolg ist fast garantiert: In einer Langzeitstudie hat das Münchner Institut für Kommunikationstraining herausgefunden, dass der Besuch eines solchen Seminars die Wahrscheinlichkeit einer Scheidung statistisch signifikant senkt. "Ich vergleiche das Kommunikationstraining mit dem Erlernen einer Sportart", sagt Joachim Engl, Leiter der Studie. Derzeit besuchen etwa 3.000 Paare jährlich einen EPL-Kurs, das Institut bemüht sich, die Kurse bekannter zu machen.

In Bayern erreicht das Vorsorgeprogramm nun alle Frischverheirateten - theoretisch jedenfalls. Jedes Paar bekommt auf dem Standesamt eine DVD in die Hand gedrückt. Darauf simulieren Schauspieler Alltagssituationen, in die ein junges Paar so gerät: gemeinsame Begegnung mit dem Ex, Streit beim Wohnung einrichten, geplatzte romantische Abendessen. Szenen, die einem aus Vorabendserien bestens bekannt vorkommen. In der Folge "Sugardaddy" besuchen Sarah und Stefan die Eltern von Sarah in deren Einfamilienhaus. Gönnerhaft fragt der Vater das junge Paar, während er an seinem Oldtimer herumschraubt, ob es nicht in die obere Etage einziehen wolle. Sarah freut sich, Stefan schaut genervt. Nun hat die Geschichte drei mögliche Enden: sie heißen Eskalation, Abwiegeln und Klärung. "Eskalation" zeigt, wie die beiden sich anschreien und Stefan eine Lampe zertrümmert. In "Klärung" sitzen sie gemeinsam im Garten und einigen sich auf eine eigene Drei-Zimmer-Wohnung. Nach jeder Sequenz analysiert ein Psychologe das Verhalten der Beiden. Zwischen den verschiedenen Paarsituationen soll man die Eindrücke auf sich wirken lassen und, am besten, mit dem Partner diskutieren. Produziert wurde die DVD vom Institut für Kommunikationstherapie in München, finanziert hat sie die Bayrische Landesregierung.

Eine Ehe zu dritt

Für die sechs Paare bei Johannes Brüseke wäre das schon ein Fortgeschrittenenkurs. Denn heute Abend steht außer der psychologischen Ehevorbereitung die religiöse im Vordergrund. Die Paare sollen sich bewusst machen, dass im religiösen Bund noch ein Dritter dabei ist: nämlich Gott. Veronika findet, das hilft, um die Beziehung zu stärken. Sie möchte ihre Zuhörer deshalb ermuntern, als Paar regelmäßig gemeinsam zu beten. Am Ende des Abends sollen das alle Paare einmal versuchen. Von einem roten Pappherz lesen die Pärchen einträchtig einige Bibelzeilen ab. "Schließlich wollen wir ja nicht zu denen da in der Statistik gehören, sondern wir wollen zusammen bleiben", sagt Veronika zum Abschied. Wer noch weitere Sicherheitsvorkehrungen für seine Ehe treffen möchte, für den hängt an der Pinnwand ein Angebot für EPL-Kurse.

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2 Kommentare

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  • R
    Robson

    Die Polemik im Titel des Artikels ist daneben. Niemand kann Liebe trainieren und darum geht's auch nicht. Solche Kurse sollten allen Menschen unabhängig von der Religionszugehörigkeit angeboten werden. Ein bisschen Training in Sachen respektvollen Umgangs miteinander und das Einüben von Konfliktbewältigungsstrategien sowie von Reflektion bezüglich des Selbst und des Gegenübers schaden niemandem. Die Egomanie, die sich unter den Mitgliedern unserer Gesellschaft breit gemacht hat, ist eine wesentliche Ursache für das zwischenmenschliche Desaster im Allgemeinen und im Privaten.

  • J
    jawollja

    Man sollte diese vorsintflutige und völlig überholte und nutzlose Institution der staatlichen Ehe endlich abschaffen da sie nachweislich mehr Probleme schafft als löst. Gefühle lassen sich nunmal nicht vertraglich erzwingen und wenn's dann krieselt profitieren doch nur Anwälte und Familienrichter am Leid der Menschen.

    Also wozu soll das gut sein?

    Wer aus religiösen Gründen meint kirchlich heiraten zu müssen kann das von mir aus gerne tuen, der Staat sollte sich hier meiner Ansicht nach aber eher raushalten.