: Die SPD liebt den Vulkan nicht mehr
■ SPD-Landesparteitag vermeidet Vulkan-Debatte / Ex-Konzernchef Hennemann soll schweigen
Die Delegierten des SPD-Landesparteitages hatten am Samstag in Vegesack Wichtiges zu tun: „Wahl von zwei Mandats- und Zählkommissionen“ stand auf der Tagesordnung oben auf, dann Satzungsfragen, dann die Berichte des Vorsitzenden, Bericht des Schatzmeisters, Bericht der Revisoren, Bericht der Bürgerschaftsfraktion, Bericht des Präsidenten des Senats, Entlastung, Wahlen. Brennende landespolitische Themen waren auf der Tagesordnung nicht angekündigt, nur kurz und zwischendurch während der „Aussprache“ durfte es zur Sache gehen (vgl. auch S. 6).
Eine kleine Abordnung von Werft-Betriebsräten hatte den Parteitag anfangs „begrüßt“, aber auch das gab keinen Anlaß für eine gründlichere Debatte. Eine handvoll Vulkan-Rentner standen auf dem Markt vor dem Bürgerhaus Vegesack, zu einer machtvollen Demonstration waren die Arbeiter zwei Tage vor dem drohenden Konkursantrag nicht zu motivieren gewesen. Offensichtlich haben die Werft-Belegschaften keine Forderungen an die SPD-Politik, keine Erwartungen an mögliche Erklärungen. Die hinter vorgehaltener Hand überall zu hörende Kritik und Verunsicherung wird auch nicht laut. Friedhofsruhe in Sachen Vulkan vor dem Parteitag.
Der Delegierte Friedrich Hennemann hat auf neun Seiten „Hintergründe zum Untergang des Vulkan“ formuliert – eine scharfe Abrechnung mit Gegnern des Konzerns, mit der Ausverkaufspolitik der letzten Monate, mit der Untätigkeit der Bremer SPD-Senatoren. Das Bremer Finanzressort (Nölle, CDU) habe im September 1995 darauf bestanden, daß er, Hennemann, gestürzt werde, plaudert Hennemann darin aus. Ein Putsch gegen die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat. Waren Bremens SPD-Landespolitiker damit einverstanden? Seitdem hat Bremen hunderte von Millionen für den Vulkan gegeben oder verbürgt. Warum? Wozu?
„Es gab und gibt nur eine politisch vertretbare Begründung für das Engagement des Landes: Die Sicherung des Verbundes und mindestens eines Teils seiner Arbeitsplätze. Dies ist nicht gelungen. Den Banken ist dagegen die optimale Absicherung ihrer Position gelungen. Bei der nun bevorstehenden Abwicklung des Konzerns werden sie kein Geld mehr verlieren. (...) Verbund und Arbeitsplätze sind verloren. Beide wären im Extremfall auch im September 1995 verloren gewesen. Das Land hätte jedoch bei einem Konkurs im September kein neues Geld verloren, denn es war nur mit Altbürgschaften engagiert. Die Banken hätten im September dagegen bis zu 500 Millionen Mark riskiert. Heute verliert das Land durch den Konkurs eine Menge neues Geld sinnlos. Die Banken verlieren heute nichts mehr. Die Frage steht: Wer trägt die Verantwortung für den absehbaren Mißerfolg dieses Einsatzes?“
Aber kaum jemand auf dem SPD-Parteitag wollte das hören, wollte das Papier von Hennemann haben. Die Delegierten lehnten es ab, ihm mehr als fünf Minuten Redezeit zu geben. Keiner der Delegierten konnte auch nur auf eines der Argumente des früheren Werftchefs antworten, keiner bekannte sich dazu, daß die Bremer SPD Hennemann über Jahre in seiner Konzernpolitik gefolgt war und den Aufbau des Vulkan-Verbundes erst ermöglicht hatte. Um so schärfer fiel dann die Polemik aus: Hennemann solle schweigen, forderte ein Delegierter.
Hennemann stört. Vulkan ist kein Thema, keine Debatte sollte auf dem SPD-Landesparteitag darüber stattfinden, ob der Schiffbau in Bremen überleben kann.
Nach der vorbereiteten Parteitagsregie wurde dann der alte Landesvorstand entlastet und der neue Landesvorstand gewählt. Es gab weder Gegenkandidaten noch eine kontroverse Personaldebatte. Detlef Albers ist wieder Landesvorsitzender, Uwe Mögling ist wieder Stellvertreter, Heiner Erling ist wieder Schatzmeister. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen