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■ Die Renten mit 60 könnte kommen – und Arbeitsplätze schaffenRiesters Plan hat Charme

Dem Reflex gehorchend stellt sich der Hund auf die Hinterbeine, wenn ein Besucher am Gartenzaun erscheint. Das ist sein Auftrag. Die Arbeitgeberverbände bellen laut gegen die Rente mit 60, die SPD-Arbeitsminister Walter Riester, IG-Metall-Chef Klaus Zwickel und Bundeskanzler Gerhard Schröder durchsetzen wollen. Die neue Form der Frühverrentung von Beschäftigten schaffe keine zusätzlichen Stellen, lautet das Argument der Arbeitgeber, ja, die Kosten der Arbeit stiegen. Riesters Rentenpolitik verhindere die Einrichtung neuer Jobs.

Die Unternehmerlobby reagiert wachsam, weil sie nicht gefragt wurde. Denn das Vorgehen von Riester und Zwickel widerspricht zunächst einmal der Maßgabe des Bundeskanzlers, alle wichtigen Fragen im Einvernehmen mit der Kapitalseite zu klären. Die eigentlichen Sachargumente der Arbeitgeber freilich haben nicht viel Substanz. Dass die Renten-Idee die Kosten der Arbeit in die Höhe treibt, ist überhaupt nicht ausgemacht. Der Charme des Plans besteht gerade darin, die zusätzlichen benötigten Mittel aus einem Tariffonds zu finanzieren, in den Betriebe wie Personal jeweils 0,5 Prozent einzahlen. Der Fonds trägt seinen Namen nicht umsonst: Wer das Geld für die Rente mit 60 schließlich aufbringt, wird in Zukunft Thema in den Tarifverhandlungen sein.

Die Unternehmer werden verlangen, dass die Beschäftigten nicht nur ihre eigenen 0,5 Prozent tragen, sondern auch den Arbeitgeberbeitrag teilweise übernehmen. Man einigt sich darauf, die Rentenmittel von der Lohnsteigerung abzuziehen. Und damit fällt die zusätzliche Belastung für die Firmen gering aus.

Das Prinzip der Verhandelbarkeit bietet den Firmen eine Quasigarantie, dass sie auf den Kosten nicht sitzen bleiben. Daher stellen die neuen Rentenbeiträge auch keine fixen Lohnnebenkosten dar, deren Absenkung die Arbeitgeberverbände immer verlangen. Die Rente mit 60 bricht mit dem alten System der starren Finanzierung der Sozialversicherung, auf die die Tarifparteien keinen Einfluss hatten. Insofern birgt Riesters Plan einen vergleichsweise flexiblen Ansatz: Beschäftigte könnten früher Abschied vom Betrieb nehmen, ihre Arbeitszeit verringern – und Neueinstellungen wären möglich.

Das werden die Arbeitgeberverbände mit der Zeit verstehen. Das Plazet des Kanzlers dürfte seinen Teil dazu beitragen. Wenn die Gewerkschaften außerdem noch der Unternehmerforderung nach längerfristig gültigen Lohnabschlüssen nachkommen, könnte sich der Streit um die Rente erledigen. Hannes Koch

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