: Die Regierung ist um Schadensbegrenzung bemüht
■ Jitzhak Rabin drückte gegenüber PLO-Chef Arafat persönlich sein Bedauern aus
In der auf einem Hügel bei Hebron gelegenen Siedlung Kiriat Arba wird der Massenmord als ein „verständlicher Verzweiflungsakt“ gegen die Pläne der israelischen Regierung dargestellt, den Palästinensern in Jericho und im Gaza-Streifen das Recht auf Selbstverwaltung zuzugestehen.
Israelische Militärs riegelten nach dem Blutbad den Gaza-Streifen und die Region Hebron ab. In die gesamten besetzten Gebiete wurden starke Militär- und Grenzpolizeiverbände geschickt. In großen Teilen der Westbank wurde ein Ausgehverbot verhängt.
Die PLO-Führung in Tunis rief zu einem dreitägigen Trauer- und Proteststreik der Palästinenser auf, der gestern überall befolgt wurde. In der Jerusalemer Altstadt beteiligten sich mehr als 100.000 PalästinenserInnen an dem freitäglichen Gottesdienst im Hof der Al-Aksa Moschee. Die israelische Polizei verwendete Tränengas, um die aufgeregten Massen nach dem Gebet vom Haram al-Scharif zu treiben, von wo aus Steine auf den Platz vor der Klagemauer geworfen wurden.
Das amtliche Israel verurteilt das Massaker scharf. Die israelische Regierung, Armee und Polizei versuchen den Schaden in Grenzen zu halten, die Gemüter möglichst rasch zu beruhigen und die Ordnung wiederherzustellen. Eine Ausbreitung der Unruhen soll verhindert werden. Große Sorge hat man in Jerusalem vor negativen Reaktionen bei der Weltöffentlichkeit.
Ministerpräsident Jitzhak Rabin telefonierte direkt mit PLO- Chef Jassir Arafat in Tunis und drückte sein tiefes Bedauern über das Blutbad aus. In einer Botschaft an Nabil Shaath, den palästinensischen Chefdelegierten bei den israelisch-palästinensischen Verhandlungen über die Selbstverwaltung, brachte der israelische Delegationsleiter, General Amnon Schahak die Hoffnung zum Ausdruck, daß das Massaker die weiteren Verhandlungen nicht beeinflussen wird. Ori Orr, der Vorsitzende des Knesset-Ausschusses für Außenpolitik und Sicherheit, erklärte, Israel erwarte von der PLO, daß sie die palästinensische Bevölkerung beruhige, so daß die Verhandlungen ungestört fortgeführt werden können.
Feissal Husseini, der Jerusalemer Chef der größten PLO-Gliederung Fatah, bezeichntete dies als „unmögliche Forderung“. Erst wenn Ministerpräsident Rabin die Siedler entwaffne, könnten palästinensische Führer von den Bewohnern der besetzten Gebiete Zurückhaltung fordern. Das israelische Militär müsse effektiver für den Schutz der Palästinenser sorgen. Vor allem müsse die Armee die Siedler im Zaum halten.
Arafat forderte internationalen Schutz für die palästinensische Zivilbevölkerung. Der UN-Sicherheitsrat solle sich in einer Sondersitzung mit dem Massaker befassen. Wenn die israelischen Besatzungstruppen die Palästinenser in den besetzten Gebieten nicht schützen könnten, müßte die Weltorganisation diese Aufgabe übernehmen erklärte er. Seiner Ansicht nach wird die Tragödie von Hebron einen negativen Einfluß auf den Friedensprozeß haben.
Krasser äußerte sich der Chef der Informationsabteilung der PLO und Chef der „Demokratischen Palästinensischen Union“ (Fida), Jassir Abed Rabbo. Es werde „keinen Frieden im palästinensischen Land geben, solange dort auch nur ein Siedler bleibt“. Der Sicherheitsberater von Arafat, Dschibril Redscheib sagte, nach dem Massaker gebe es keine Grundlage mehr für die Fortsetzung des Friedensprozesses. Die PLO sei immer noch stark genug, um den bewaffneten Kampf wieder aufzunehmen. Bisher haben jedoch im palästinensischen Lager nur die „Demokratische Front zur Befreiung Palästinas“ (DFLP) und die „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) Aufrufe zur Wiederbelebung der Intifada verfaßt. Die beiden linken Organisationen innerhalb der PLO forderten die sofortige Einstellung der Verhandlungen mit Israel. Amos Wollin, Tel Aviv
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