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Die Ratten im Kino

Rosa von Praunheims neuer Film „Kühe vom Nebel geschwängert“ wurde von Mitgliedern des Obdachlosenkinos „Ratten 07“ im Cinema vorgestellt – der Regisseur kehrt mit dem Werk zu seinen Anfängen zurück

Der Plot ist etwas chaotisch, weil er aus Improvisationen der Schauspieler entstand

Der Stargast konnte leider nicht kommen. Rosa von Praunheim feiert gerade in allen Medien seinen 60. Geburtstag und hat sich dabei wohl etwas übernommen. Jetzt liegt er krank im Bett und konnte deshalb nicht nach Bremen kommen, wo seine „Geburtstagstournee“ am Mittwochabend im Cinema halt machen sollte. Wer Rosa kennt, weiß, was für eine grandiose Selbstinszenierung da zu erwarten gewesen wäre, erst vor einigen Monaten hatte er in der Lila Eule bei einer „script session“ das „script“ und auch die „session“ in seinem Ego ertränkt. Nun also eine Praunheim-Show ohne Praunheim, dafür standen Dragon und Heinz vom Obdachlosentheater „Ratten 07“ im Mittelpunkt.

Um ihr Ensemble geht es in von Praunheims neuem Film „Kühe vom Nebel geschwängert“, der an diesem Abend vorgeführt wurde. Dieser entpuppte sich als eine große Überraschung, denn Praunheim ist damit zu seinen Anfängen zurückgekehrt: früher machte er kleine, billige Filme, in denen er sich nicht um cineastische Finessen scherte und statt dessen neugierig auf Menschen schaute, die anders als die „Normalen“ waren. Genau dies tut er hier wieder und nimmt sich dabei fast ganz zurück. Der Film ist das Porträt einer Gruppe von Berliner Obdachlosen, die in einem Projekt der Volksbühne (das inzwischen weggespart wurde) Theater spielten. Zuerst ist der Film eine konventionelle Dokumentation, bei der die Protagonisten direkt in die Digitalkamera ihre Lebensgeschichten erzählen, bei den Proben und dem Biertrinken auf der Straße gefilmt werden usw.

Doch dann beginnt Praunheim doch noch zu inszenieren: Der Mittelteil des Films besteht aus einer Spielhandlung, die auf einem Schloss spielt und sich als nichts anderes als ein Remake des Bunuel-Klassikers „Viridiana“ entpuppt, den dieser 1961 im Mexiko ebenfalls mit Obdachlosen drehte. Bei Bunuel verwandelte eine Novizin das Gut ihrer Familie in ein Asyl und scheitert kläglich bei dem Versuch, aus den Obdachlosen ordentliche und fromme Christen zu machen. Berüchtigt ist die Nachbildung von Da Vincis Abendmal als ein orgiastisches Trink- und Fressgelage. Man wartet bei Praunheim gespannt darauf, dass er nun seinerseits der Vorlage Achtung zollt und diese Einstellung direkt zitiert, aber obwohl es genau solch ein Gelage auch in seinem Film gibt, verkneift er sich die filmische Spielerei. Denn auch hier bleibt er auffällig unauffällig, filmt nur die improvisierten Szenen, in denen das Ensemble von „Ratten 07“ eine Gruppe von Obdachlosen spielt, die von einer esoterischen Therapeutin auf deren Schloss eingeladen wird, um dort das saubere, veganische Leben ohne Tabak, Alkohol und Drogen zu lernen. Das geht natürlich gründlich schief. Der Plot ist etwas chaotisch, weil er aus den Improvisationen der Schauspieler entstand. Aber denen schaut man gespannt zu, denn man spürt bei diesen Spielszenen, dass die Fiktion immer sehr nah an den tatsächlichen Erfahrungen und Persönlichkeiten der Darsteller entlangstreichen.

Nach der Vorstellung gaben Dragon und Heinz noch eine kleine Szene aus dem aktuellen Programm der „Ratten 07“. Mit seinem langen, weißen, wallenden Haar und Bart spielte Heinz niemanden geringeneren als Gott, der ganz schnell von dem Polizisten Dragon verhaftet wird. Von Praunheim hätte sicher eine größere Show abgezogen, aber gerade, dass die beiden offensichtlich froh waren, schnell wieder zu ihrem Bier im Cafe zu kommen, machte sie sympathisch und passte zur Stimmung des Films.

Wilfried Hippen

Diese Woche werden im Cinema die Praunheim-Filme „Affengeil“ (Samstag, 13.15 Uhr) und „Ich bin meine eigene Frau“ (Sonntag, 13.15 Uhr) gezeigt.

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