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Archiv-Artikel

Die PDS-Vorsitzende ist tot – und lebt

Tritt Zimmer zurück? Überredet Gysi sie zur Aufgabe? Kommt Bisky als Übergangschef? Zusammen mit Gysi? Das Krisenspiel der PDS-Reformer übersieht, dass der Richtungswechsel von Gera kein Zufall war. Gewinnt am Ende also wieder Gabi Zimmer?

aus Berlin JENS KÖNIG

Gabi Zimmer ist eine kleine, tapfere Frau. Sie ist seit drei Jahren Vorsitzende der PDS. Seit drei Jahren wird sie von den Medien niedergemacht und von den Leuten in der eigenen Partei bekämpft. Sie hat keine Ahnung, heißt es, keine Ausstrahlung und keine politische Idee. Vor dem Parteitag in Gera im Oktober vorigen Jahres war sie schon so gut wie tot. Aber die Genossen an der Basis lieben ihre Gabi. Sie ist die Vorsitzende der Herzen.

In Gera hat Gabi Zimmer triumphiert. Sie hat ein bisschen von Sozialismus geredet und ist zur Parteichefin wiedergewählt worden. Sie hat sich dabei von den Orthodoxen unterstützen lassen und die Reformer an den Rand gedrängt. Jetzt, ein halbes Jahr später, ist anscheinend alles anders. Die Marxisten und Kommunisten verstehen ihre Parteichefin nicht mehr. Die Reformer reden wieder mit ihr. Nur Gabi Zimmer ist immer noch die kleine, tapfere Frau, die von den Medien niedergemacht und von den eigenen Leuten bekämpft wird. Sie steht in ihrer Parteizentrale und staunt, was um sie herum passiert. Sie ist so gut wie tot. Aber alles dreht sich um sie.

Sie hat nichts dafür getan. Vor zwei Wochen hat sich eine Mehrheit im Parteivorstand geweigert, über ein Strategiepapier abzustimmen, das als Arbeitsgrundlage für ein Alternativkonzept zu Schröders Reformagenda 2010 dienen sollte. Zimmer hat diese Niederlage hingenommen wie viele andere in den Monaten davor auch. Vor allem die erfahrenen Linkssektierer Diether Dehm und Uwe Hiksch haben gegen sie gearbeitet. Der Partei-Vize und der Bundesgeschäftsführer betrachten Zimmer seit Gera als PDS-Vorsitzende von ihren Gnaden und zwangen sie Schritt für Schritt auf ihren Kurs der radikalen, wolkigen sozialistischen Opposition. Diese Selbstblockade der Parteispitze hat erst der brandenburgische PDS-Chef Ralf Christoffers aufgelöst. Er forderte einen Sonderparteitag zur inhaltlichen Klärung und personellen Erneuerung.

Ein paar Tage später sprang Zimmer auf den fahrenden Zug auf. Inzwischen fordert auch sie einen Sonderparteitag. Sie will die Entlassung von Dehm und Hiksch. Sie stellt inhaltliche Bedingungen für ihre erneute Kandidatur als Parteichefin. Sie droht sogar mit ihrem Rücktritt. Es sieht aus, als sei sie stark. Dabei ist sie so schwach, dass sie nicht mal zurückgetreten kann.

Natürlich wittern die Reformer jetzt wieder eine Chance. Aber sie unterschätzen, dass Gera kein Ausrutscher, sondern ein von der Mehrheit gewollter politischer Richtungswechsel war. Die gleichen Delegierten, die Gabi Zimmer damals auf Händen getragen haben, sollen sie jetzt abwählen und sich zur PDS als moderner Reformpartei mit Regierungsanspruch bekennen? Kaum vorstellbar. Also redet Gregor Gysi, die letzte PDS-Instanz, seit Tagen auf Zimmer ein, sie möge doch bitte zurücktreten. Nur wenn das gelingt und die PDS ihren Kurs ändert, wäre Lothar Bisky bereit, den Retter in der Not zu spielen. Wenn denn noch etwas zu retten ist.

Bisky ist 61. Er hat von Politik eigentlich die Schnauze voll. Vor Zimmer war er acht Jahre lang Parteichef. In Brandenburg ist er noch Vorsitzender der PDS-Fraktion. Aber nach den Landtagswahlen 2004 will Bisky in seinen alten Beruf als Medienwissenschaftler zurückkehren. „Das Einzige, was mir fehlt, sind Steckzwiebeln für meinen Garten“, sagt Bisky trocken. Er will eigentlich nicht. Aber bevor die PDS stirbt, würde er es machen. Für ein Jahr. Damit er sich nicht so verlassen fühlt, hat Bisky seinen alten Freund Gysi gestern aufgefordert, mit ihm zusammen in die Bundespolitik zurückzukehren. Gysi hat sofort abgewunken. Aber bei ihm weiß man ja nie.

Dieses Alte-Herren-überreden-sich-gegenseitig-Gehabe gibt den Krisenspielen der PDS-Reformer etwas Unernstes. Die Parteibasis weiß schon lange nicht mehr, was sie will. Sie ist auch zu erschöpft, erneut darüber zu streiten. Vielleicht entscheidet wieder ihr Herz.