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Die Nordsee geht bald baden

■ Einhellig war die Meinung der Experten bei einer Anhörung in Bonn: Ohne rasches Handeln drohen der Nordsee weitere irreparable Schäden / Verbot umweltgefährdender Stoffe gefordert

Bonn/Berlin (dpa/taz) - Der Zustand der Nordsee, der Müllkippe der europäischen Anrainerstaaten, hat sich nach Einschätzung von Experten und Umweltschützern in der letzten Zeit erheblich verschlechtert. Das ist ein erstes Ergebnis einer Anhörung des Umweltausschusses des Bundestages, die gestern in Bonn stattfand. Bei der Anhörung, mit der sich der Umweltausschuß rund sechs Wochen vor der in London stattfindenden Internationalen Nordseeschutz–Konferenz über die Gefährdung des europäischen Meeres informieren wollte und die von den Grünen und der SPD beantragt worden war, kamen 20 Wissenschaftler, Experten öf fentlicher Einrichtungen und von Umweltschutzverbänden zu Wort. Eine überraschend negative Entwicklung sei, daß Schadstoffe wie Schwermetalle nun offenbar über weite Entfernungen getragen würden. Als Folge der höheren Schadstoffbelastung nannte Volker Dethlefsen von der Bundesforschungsanstalt für Fischerei eine Verarmung der Bodentierbesiedlung in der Nordsee und eine zunehmende Erkrankung von Fischen. Das Zoologische Institut der Kieler Universität, dessen Stellungnahme schriftlich vorlag, kommt aufgrund der „sehr negativen“ Entwicklung zu der Schlußfolgerung, sämtliche Schadstoffeinleitungen, Verklap pungen und Sondermüllverbrennungen auf hoher See müßten sofort gestoppt werden. Professor Jürgen Salzwedel von der Universität Bonn verlangte, eine „Schwarze Liste“ jener Industrieprodukte anzulegen, die auch mit modernsten Abwasserreinigungstechniken nicht zurückgehalten werden könnten. Diesem anvisierten Produktionsverbot schloß sich der Chef des Bundesumweltamtes, Lersner, an und verwies darauf, daß ein Instrumentarium für solche Verbote mit dem bundesdeutschen Chemikaliengesetz vorliege. Lersner betonte auch, daß das Nordseeproblem vor allem ein nationales Problem der Abfallbeseitigung sei. Auch die Grünen des deutschen Bundestages verwiesen in einer Presseerklärung darauf, daß der internationale Schutz der Nordsee mit nationalen Maßnahmen beginnen müsse. Das auch von der Bundesregierung anerkannte Vorsorgeprinzip verlange das Verbot der Produktion umweltgefährdender Stoffe und für die Neuzulassung die Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung. National und international bestehe ein erhebliches Handlungs– und Vollzugsdefizit, kritisieren die Grünen indirekt das Ziel der Anhörung . Einer „wissenschaftlichen Fundierung“ der Gefährdung der Nordsee bedürfe es nicht mehr.

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