■ Die Nato sollte sich endlich zu einem Bombenstopp durchringen: Die hilflosen Diplomaten
Die Nato-Logistiker plagt eine ungewohnte Sorge: Die Munition wird knapp, bald sind die Bombenschächte leer. Das Kosovo vermutlich auch. Dennoch geht der Reigen des Schreckens weiter, die Vertreibungswut hier, der Bombenwahn dort. In trotziger Verstocktheit laufen beide Vorgänge nebeneinander her – einer des anderen Alibi. Veränderungen unterliegt nur die Opferstatistik: Sie steigt von Tag zu Tag.
Und kein Ende in Sicht? Doch, wir arbeiten daran, raunt eine neue Spezies von Akteuren. Sie heißen Vermittler und könnten inzwischen eine halbe Fußballmannschaft bestücken: Talbott, Tschernomyrdin, Ahtisaari, Bildt, Kukan, Vollebaek. Was vermitteln sie eigentlich außer den Eindruck von Geschäftigkeit? Sie tragen Papier hin und her, den Fischer-Plan, den G-8-Plan, den D'Alema-Plan. Noch hat die Nato jeden Friedensplan mit einer Verstärkung der Luftangriffe beantwortet. Anfangs waren 400 Flugzeuge im Dauereinsatz, jetzt sind es 1.200, erst starteten hundert Maschinen am Tag, jetzt 500, 600 und mehr. Meist treffen sie ihr Ziel, oft auch daneben. Die Diplomaten reden von Feuerpause, die Kampfjets feuern pausenlos.
Brüssel oder Belgrad, wer hißt die weiße Fahne? Nur darum scheint es noch zu gehen, sei es auf dem Kriegsschauplatz, sei es in der diplomatischen Kulisse. Alle anderen der vielen wechselnden Begründungen für die rabiate Operation haben sich im Pulverdampf verflüchtigt. Bezweifelt denn ernsthaft jemand, daß die Nato siegen kann, wenn sie siegen will? Sie ist die stärkste Militärallianz der Erde. Sie hält vier Millionen Soldaten unter Waffen, fast halb so viele, wie Serben in Serbien leben. Muß das Offensichtliche auch noch bewiesen werden?
Irgendwann ist es genug. Würde die Nato heute aufhören zu bomben, hätte sie morgen alle wichtigen internationalen Mitspieler auf ihrer Seite: die Russische Föderation, die Volksrepublik China, die Vereinten Nationen.
Das wäre noch keine politische Lösung, aber es wäre der erste Schritt zur Rückkehr auf den Boden des Rechts, zum Reden mit einer Stimme und zum Handeln aus einem Guß, ohne irrlichternde Schar von Vermittlern. Aber die Nato hätte dann ja das Gesicht verloren. Welches Gesicht denn bitte? Jedes andere als das, was sie in der nunmehr neunten Woche zur Schau trägt, würde ihr zum Vorteil gereichen. Reinhard Mutz
Stellvertretender Direktor am Hamburger Institut für Friedensforschung
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