: Die Nase zur gefühlten Kunst
■ Unter dem sinnfälligen Titel „Sinn Fonie“ birgt ein Bunker in Winterhude tastbare Kunst
„Der Besucher soll auf dem Weg durch die fünf Sätze einer Komposition der menschlichen Sinne immer tiefer in die Sinnesreiche eintauchen, um am Ende das Finale zu erleben: die vier Elemente Feuer, Erde, Wasser und Luft.“ Viel haben sich goldbekHaus und Kunstraum e.V. vorgenommen und viel dafür getan, um ihren Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen. Die Ausstellungsfläche im Bunker am Kuhnsweg in Winterhude ist 1800 Quadratmeter groß, 50 Objekte sind zu erleben. Die 60 Meter durch den Vier-Elemente-Parcours bilden den krönenden Abschluß.
Schon draußen wird klar worum es geht: Eine Riesennase und eine Kletterwand rufen: Sinn(e) durch Spiel! Wirklich gerne scheint der Bunker Gäste nicht zu haben: Die Nase rümpft sich am Eingang über den Besucher, markiert gleichzeitig Maul und Eingang in das eigentlich reizarme Innere des Betonklotzes. Erstaunlich freundlich ist es da dann doch. Viele Texttafeln und farbige Vorhänge weisen den Weg durch fünf Etagen Beton.
Scheinbar unspektakulär wird man am Anfang mit einigen Naturgesetzen vertraut gemacht. Das überraschende Spiel mit den ersten Objekten lehrt, wie unbewußt im täglichen Bewegen damit umgegangen wird. Nachdem ausreichend Gelegenheit bestand, das Gleichgewicht zu erforschen und zu verlieren, kann man im zweiten Satz hören. Hören, wie Töne sich überlagern, wie Echo die Stimme verlangsamt, wie im 5.Stock jemand in einen Schlauch spricht oder wie wir Geräuschmemory spielen. Die meisten Vorgänge kann man ausprobieren, viele sind in Objekten veranschaulicht. Daß dem Gesehenen allerdings nicht wirklich getraut werden kann, macht der dritte Satz über das Sehen klar: Optische Täuschungen überraschen genauso wie eingefrorene Schatten, Spiegel lassen uns in die Unendlichkeit blicken - und in die Irre. Eben daran, daß wir noch andere Sinnesorgane als unsere Augen haben, will Sinn Fonie erinnern. Geschichten kann man auch ertasten und einen Aromawald auch durchriechen. Durchschritten werden am Schluß blind die vier Elemente. Das ist schön und macht Spaß.
Spaß und Spiel mit Sinn ist auch Ziel von Kunstraum e.V. und goldbekHaus. Statt durch passiven Konsum soll Kunst hier erst durch die Mitarbeit des Besuchers entstehen. Das klingt zwar gut, ist aber nicht ganz einfach. Spiel, Wahrnehmung und Lesen/Lernen ergänzen sich nicht nur, sondern unterbrechen sich auch. Man braucht also viel Zeit und bringt am besten auch Spiel- und Entdeckungspartner mit. Wer dann noch nicht zu Sinnen gekommen ist, dem wird mit Workshops, Seminaren und Werkstätten von Künstlern, Biologen und Spielpädagogen das Fühlen gelehrt.
Matthias von Hartz
„Sinn Fonie“, Bunker Kuhnsweg, bis 31. August, täglich 14 bis 20 Uhr
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