: Die Kurden im Irak
■ Eineinhalb Jahrhunderte Kampf um Autonomie
Im Irak leben heute etwa fünf Millionen der insgesamt 15 bis 20 Millionen Kurden. Der Rest des Volkes verteilt sich auf die Türkei und den Iran, kleinere Teile leben in Syrien und der Sowjetunion. Von keinem dieser Staaten als eigenständig anerkannt, war das zersplitterte Volk immer wieder ein Spielball rivalisierender Interessen und unterschiedlichster Allianzen. Die Bemühungen der Kurden um Autonomie begannen schon vor eineinhalb Jahrhunderten. Mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches am Ende des Ersten Weltkrieges schien der Traum wahr zu werden: Die Siegermächte versprachen den Kurden einen eigenen Staat. Doch das Vorhaben scheiterte an dem türkischen Staatsgründer Kemal Atatürk, der nicht auf einen Großteil Kurdistans verzichten wollte.
1925 brach der erste große Kurdenaufstand aus, der von den Kemalisten mit fürchterlichen Massakern niedergeschlagen wurde. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges dann metzelte Atatürks Nachfolger Inönü die Bevölkerung ganzer kurdischer Landstriche nieder, die Unabhängigkeitsbewegung verlagerte sich in den Iran und Irak. Der große Führer der irakischen Kurden und Vorsitzende der „Demokratischen Partei Kurdistans“, Mustafa Barzani, kämpfte bereits in den vierziger Jahren für die Gleichberechtigung von Kurden und Arabern. Ob unter Königen, Militärs oder der Herrschaft der Baath-Partei: Die jeweils Regierenden unterdrückten die Minderheit militärisch und verweigerten ihr Autonomie, vor allem wegen der Bodenschätze Irakisch- Kurdistans.
Anfang der siebziger Jahre rang Barzani dem Regime in Bagdad autonome Rechte, politische Mitwirkung und kulturelle Freiheiten ab. Als die Machthaber in Bagdad 1974 dann aber das Autonomiegebiet stark beschränkten, brachen offene Kämpfe aus. Die USA und der Schah unterstützten die Kurden mit Waffen gegen das Bagdader Regime, ließen sie ein Jahr später aber fallen. Die Baath-Partei setzte daraufhin ihre Deportationspolitik, die sie schon 1963 begonnen hatte, mit Militäroffensiven und Chemiewaffeneinsätzen fort.
Aus den Gebieten außerhalb der autonomen Region wurden die Kurden zum größten Teil gewaltsam vertrieben, innerhalb des Gebietes trieb die irakische Regierung sie aus der gebirgigen Grenzregion in die militärisch leichter zu kontrollierenden Ebenen. Nach Schätzungen der Gesellschaft für bedrohte Völker wurden zwischen 1968 und 1990 über 200.000 Kurden ermordet, mehrere tausend Dörfer vor allem im Bergland des Nordirak planmäßig zerstört und eineinhalb bis zwei Millionen Menschen deportiert. Mindestens 13.000 Kurden wurden durch Giftgas getötet, tausende gefoltert, darunter viele Kinder. Mehrere zehntausend Menschen verschwanden, zahlreiche kurdische Politiker wurden durch Giftanschläge oder Attentate ermordet. kap
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