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Archiv-Artikel

Die Kunst, ein Monopol zu brechen

Benjamin Foerster-Baldenius und Matthias Rick bauen Spielplätze für große Jungs. Letztes Jahr installierten sie einen Berg in den Palast der Republik. Nun organisieren sie Sammeltaxis für Kreuzbergs Straßen und Kanäle – als zehntägiges Kunstprojekt

von Uwe Rada

Bülent Burma ist einer, der es Benjamin Foerster-Baldenius und Matthias Rick angetan hat. Vor sechs Jahren wollte der türkische Unternehmer den Berliner Nahverkehr aufmischen – mit einem Transportmittel, das in der Hauptstadt bislang unbekannt ist, in Istanbul dagegen zum Alltag gehört: dem Dolmusch. „Mit Sammeltaxis wollte Burma den Wedding, Kreuzberg und Neukölln miteinander verbinden“, erinnert sich Foerster-Baldenius. Doch beim Wollen blieb es auch. „Das Ganze scheiterte am erbitterten Widerstand der Berliner Taxi-Innung.“

Foerster-Baldenius und Rick stehen auf einem Bauplatz an der Kreuzberger Falckensteinstraße. Um sie herum schrauben Männer und Frauen Sperrholzplatten zusammen und bemalen diese mit bunten Logos. Eines steht für „Autopiste“, das zweite für „AutoXpress ohne Zwischenhalt“, das dritte für „Kreuzfahrt/Boot“, das vierte für „DonkeyXpress“. Bis Dienstag müssen die Schilder an den Haltestellen in Kreuzberg angebracht sein. Dann nämlich startet in Zusammenarbeit mit dem Theater Hebbel am Ufer das neue Kunstprojekt von Foerster-Baldenius und Rick – der „Dolmusch X-Press“. Zehn Tage lang kann man für nur 1 Euro mit Autos, aber auch mit einer Kutsche und per Boot auf dem Landwehrkanal unterwegs sein – und sich mitten in Kreuzberg einmal mehr wie in Istanbul wähnen.

Kreuzberger sind inzwischen auch Rick und Foerster-Baldenius. „14 Jahre Prenzlauer Berg, das ist genug“, sagt der 40-jährige Foerster-Baldenius. Sentimental ist er dennoch. „In Prenzlauer Berg war nach der Wende alles möglich“. Rick und Foerster-Baldenius hatten zusammen mit anderen 1992 das Hausprojekt Lychener Straße 60 gegründet. „Besetzen wäre uns zu unsicher gewesen, also sind wir zur Wohnungsbaugesellschaft gegangen und haben gesagt, das Haus wollen wir instandsetzen.“ Zur Baustelle kam ein Club, zum Club ein öffentlicher Kunstraum, auf den Kunstraum wurde ein Schuttcontainer gestellt, der zum Schwimmbad umfunktioniert wurde. Alles zusammen nannten die Instandbesetzungskünstler schließlich „Institut für angewandte Baukunst“. So erfolgreich wurden Foerster-Baldenius und Rick, dass sie nach der Gründung ihres Büros „Raumlabor“ sogar den Palast der Republik bespielten – mit Schiffchen à la Venedig und einem Berg, den es zu besteigen galt. Ihr Erfolgsrezept: Spielplätze für große Jungs.

Auf dem Bauplatz sind die Haltestellen inzwischen fertig gezimmert. Matthias Rick hat das schon von seiner Neubauwohnung aus sehen können. Auch ihm ist es schwer gefallen, den Prenzlauer Berg zu verlassen. Doch die Neugier war größer als die Bequemlichkeit im gemachten Nest.

Das betraf auch die künstlerische Arbeit. „Kreuzberg ist spannend“, sagt Rick. „Nicht weil es hier so viele Freiräume gibt, sondern weil es hier nichts gibt, was es nicht schon gab.“ Für Spielernaturen wie Rick und Foerster-Baldenius war das natürlich eine Herausforderung. Und sie haben sie bestanden. Ein paar Wochen lang schauten sie sich im Kiez um, sie haben mit Anwohnern gesprochen, mit Künstlern, mit Gewerbetreibenden. Dabei haben sie herausgefunden: „Ein Dolmusch-Taxi gab es tatsächlich noch nicht in Kreuzberg“, freut sich Rick. „Außer natürlich der Idee von Bülent Burma.“

Anhand der Logos erläutert Foerster-Baldenius den Streckenplan. „Die langsamste Strecke ist die mit der Kutsche“, sagt er. „Sie ist vor allem für Touristen, entlang dem ehemaligen Kanal am Engelbecken. Das könnte übrigens jeder machen. Es ist nicht verboten, mit der Kutsche durch Berlin zu fahren.“ Schwieriger ist es mit dem Schiffsverkehr. „Im Grunde sind die Berliner Wasserstraßen ganz in der Hand der Reeder. Die betreiben die Anlegestellen, ein privater Betreiber hat keine Chance.“ Doch das genau will Foerster-Baldenius – private Initiative. „Warum soll es in Berlin nicht einen Wassertaxiverkehr geben, wie in Amsterdam oder Venedig?“

Noch schwieriger ist es mit dem „richtigen“ Dolmusch. „Würden wir das aufziehen wie Bülent Burma, hätten auch wir die Taxiinnung am Hals. Und nicht nur die“, beginnt Foerster-Baldenius aufzuzählen. „Die BVG würde darauf bestehen, dass der öffentliche Nahverkehr noch nicht privatisiert ist, und jede Konkurrenz verhindern, der Senat würde uns keinen Straßenraum für Haltestellen zur Verfügung stellen.“ Als Kunstprojekt, freut er sich aber, „dürfen wir alles, wenn auch über einen begrenzten Zeitraum“.

Dass der Dolmusch X-Press ein Kunstprojekt ist, werden die Kreuzberger nicht nur an den bunten Haltestellen-Logos erkennen. Auch die Autos, die eine Woche lang zu Sammeltaxen werden, und ihre Fahrer sind eher ungewöhnlich. „Wir haben Kreuzberger Autobesitzer zum Casting geladen“, erklärt Rick. Herausgekommen sei eine Mischung, die es in sich habe: „Tolle Typen mit langweiligen Autos und tolle Autos mit langweiligen Typen, eben Kreuzberg.“

Foerster-Baldenius jedoch geht es keineswegs nur um den Spaß. Denn obwohl der Dolmusch X-Press nur ein Kunstprojekt ist, lässt ihn der Gedanke nicht mehr los, eines Tages wirklich ein Stück Istanbul nach Berlin zu bringen. „Schließlich geht es uns mit den meisten Projekten doch nicht nur darum, Freiräume aufzuspüren“, sagt Foerster-Baldenius grinsend. „Wir wollen auch Monopole aufbrechen.“

Infos: www.raumlabor-berlin.de und www.hebbel-am-ufer.de