Es scheint in der Bevölkerung mehrere Arten von Bahnreisenden zu geben. Die erste Gruppe sind die absoluten Checker, wie Diskutant Hendrik. Selbst mit dem Auto fast jegliche Distanz überbrücken und alle Jubeljahre mit der Bahn zu fahren. Solche Reisenden führen auch gern den Kofferaufkleber aus uralten CDU-Zeiten mit sich: "Was fehlt, sind Straßen." Auf Beurteilungen Jener kann gern verzichtet werden. Die zweite Gruppe Bahnreisender scheint selbst des Lesens nicht mehr mächtig zu sein, betreten diese ein Bahnhofsgebäude. Selbst wenn das Fahrtrichtungsziel deutlich am Zug zu lesen ist, wird dreimal gefragt ob der Zug auch nach Saulgau fährt und sicherheitshalber noch einmal ausgestiegen. Diese Reisenden haben viel zu erzählen, wenn sie angekommen sind. Sie sind auch die liebsten Fahrgäste der Deutschen Bahn AG. Denn denen kann man jeden Scheiß erzählen. Sie glauben ihn auch noch, wenn die dreiste Lüge kaum noch zu verbergen ist. Die dritte Gruppe sind die Vielfahrer, durchaus Leute, die gern mit der Bahn fahren, weshalb nicht alle "Dampfschnüffler" sind, wie sie zur Zeit der Bundesbahn gern abfällig tituliert wurden. Denen kann man aber nichts erzählen, denn sie hatten durch die vielen Störfälle genügend Zeit sich über Verkehrsabläufe bei der Bahn zu informieren. Da werden Orte einfach vom Fernverkehr abgehängt, weil anscheinend einige Verantwortliche der DB es urkomisch finden, wenn der Anschlusszug gerade den Bahnhof verlässt und der eigene noch nicht angehalten hat. Da wird ein Zug eineinhalb Stunden in Halle/Saale HBf festgehalten, weil der Zugführer in einem verspäteten Zug sitzt. Ein anderer Zugführer hat allerdings Feierabend und wartet auch geduldig um verspätet mit diesem Zug nach Hause zu fahren. Die beiden Zugführer führen dann während der Fahrt einen ageregten Plausch. Die abendliche Regionalbahn von Magdeburg nach Braunschweig verzichtet gleich ganz auf den Zugführer. Der Tfz-Führer (Lokführer) gibt sich selbst den Abfahrauftrag. Das heißt, bei jedem Halt steigt er von der Lok, beobachtet den Zug und schließt die Türen, was bei gekrümmten Bahnsteigen entsprechend lange dauert und eine satte Verspätung von zwanzig Minuten ergibt. Dafür sind die letzten Anschlusszüge abgefahren und der Reisende kann selbst sehen, wie er nach Hause kommt. Erst massives Drängen am "Service-point" bewegt dann, nachdem die Mitarbeiter zuerst versucht haben die Reisenden mit dummen Sprüchen abzuspeisen, jemand sich zähneknirschend um Taxis, oder bei größeren Reisegruppen um einen Bus zu bemühen.
Diese Zustände sind nicht erst eingerissen, als der Herr Mähbalken Chef von der Bahn wurde. Es ist das hohe Ross, auf dem die Eisenbahner sitzen, welches für Verärgerung sorgt. Es brauchte Jahrzehnte um einen Taktfahrplan einzurichten, als andere Länder wie die Niederlande schon längst dafür sorgten, dass mit dem Eintreffen des letzten Zuges auch noch ein Bus vor dem Gebäude wartet um die Reisenden in die entlegenen Dörfer zu bringen. Im Gegenteil, eine Verkehrspolitik, die allein der Autolobby Rechnung trägt, hatte glücklicherweise vergeblich versucht, wie in den USA die Bahn als Verkehrsmittel so unattraktiv als irgend möglich zu machen. Buslinien wurden parallel zu den Zügen geführt. Die dadurch bedingte Abnahme der Fahrgastzahlen in den Zügen führte zu weiterer Ausdünnung im Fahrplan bis zur endgültigen Stillegung. Diese Ignoranz gegenüber dem Bürger, der ein Anrecht auf einen öffentlichen Personennahverkehr besitzt führte nicht zu der Hassliebe, wie es so schön verniedlichend im deutschen Konsensgebräu heißt, sondern zu blankem Hass. Hass gegenüber der Arroganz der Mitarbeiter, die Menschen transportieren, aber nicht reisen lassen.
Der große Vorzug einer Bahnfahrt erschließt sich manchem erst, wenn man zwölf Stunden in einen Bus eingezwängt wird und im Autobahnstau steht.
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