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Die Kopfsteuer ist tot...

...lang lebe die Kopfsteuer/ Labour nennt Heseltines Vorschlag einer Kommunalsteuer die „Haltet-die-Tory-Partei-zusammen-Steuer“/ Einzelheiten der neuen Steuer noch völlig unklar  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Die Alternative zur Kopfsteuer, die der britische Umweltminister Michael Heseltine am Donnerstag im Londoner Unterhaus vorstellte, hat in den eigenen Reihen Verwirrung ausgelöst. Beide Tory-Flügel erklärten sich zu Siegern: Die Thatcheristen behaupteten, die Grundprinzipien der Kopfsteuer blieben erhalten, während der „linke“ Flügel den Tod der Kopfsteuer verkündete.

Heseltines Alternative sieht eine Mischform vor: Während die Kopfsteuer von jeder erwachsenen Person ungeachtet des Einkommens bezahlt werden muß, wird die neue Steuer zur Finanzierung der Gemeinden pro Haushalt erhoben und hängt von der Wohnfläche sowie von der Zahl der Haushaltsmitglieder ab. Viele Fragen blieben jedoch offen und sollen erst Ende Juli in drei Regierungspapieren beantwortet werden. So ist bisher völlig unklar, welche Gewichtung die beiden Elemente der Berechnung erhalten und inwieweit regionale Unterschiede bei den Immobilienpreisen berücksichtigt werden. Außerdem wurde nicht bekannt, ob Sozialhilfeempfänger weiterhin 20 Prozent der Steuer zahlen müssen.

Heseltines vage Ausführungen konnten den Streit bei den Tories nicht schlichten. Sein Vorgänger Nicholas Ridley, der im letzten Sommer wegen antideutscher Äußerungen seinen Hut nehmen mußte, wies am Donnerstag darauf hin, daß „ein Doppelsteuer-System eine völlig neue Klasse von Verlierern schaffen“ werde. Derek Conway, Staatssekretär im Ministerium für Wales, trat aus Protest zurück: „Die Konservative Partei wird den Schritt zurück zur Grundbesitz-Steuer bereuen.“

Auch bei der Labour Party hat die neue Steuer Ratlosigkeit ausgelöst. Bryan Gould, Umweltminister im Labour-Schattenkabinett, warf den Tories vor, mit dem Ende der Kopfsteuer ihre eigenen Prinzipien verraten zu haben. Im selben Atemzug beschuldigte er jedoch die Regierung, die Kopfsteuer überhaupt nicht abgeschafft zu haben. Es schien, als habe Gould zwei Reden vorbereitet: eine für den Fall der Beseitigung der Kopfsteuer, die andere für ihr Weiterleben. Als Heseltine dann weder das eine noch das andere tat, hielt Gould offenbar beide Reden. Labour-Chef Neil Kinnock nannte Heseltines Alternative eine „Haltet-die- Tory-Partei-zusammen-Steuer“.

Heseltine sagte, die neue Steuer könne möglicherweise im April 1993 eingeführt werden. Solange gilt weiterhin die Kopfsteuer, die im neuen Haushaltsplan vom Dienstag um 140 Pfund (ca. 410 Mark) gesenkt wurde. Statt dessen stieg die Mehrwertsteuer um 2,5 auf 17,5 Prozent. Die Gemeindeverwaltungen befürchten ein finanzielles Fiasko bis zur Einführung der neuen Steuer. Nachdem Heseltine Ende vergangenen Jahres erklärt hatte, er arbeite an einer Alternative zur Kopfsteuer, stieg die Rate der Zahlungsunwilligen drastisch an. „Jetzt werden sich die Leute sagen, wenn die Steuer ohnehin abgeschafft wird, brauche ich sie auch nicht zu bezahlen“, glaubt Martin Pilgrim, Finanzexperte der Labour Party.

Doch nicht nur die Zahlungsunwilligen werden den Gemeinden noch Kopfzerbrechen bereiten. Wegen der Senkung der Kopfsteuer müssen sämtliche Rechnungen neu ausgestellt werden. Der dadurch entstehende Verwaltungsaufwand dürfte einen Großteil der erwarteten Einnahmen verschlingen.

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