Die Kolumne heißt vorübergehend „Alles Turnschuh“: Schnapptriebchen
■ Die neue kleine sowie erbauliche Montagskolumne der taz / 11. Versuch
Betreten Sie, handwerklich ungeschickte Leserin, und Sie, mit zwei linken Händen geschlagener Leser, doch bitte mal, auch wenn es schwer fällt, einen Baumarkt nach Wahl. Kennen Sie den Kerl dort hinten, ja genau, Mittelgang links, der sich, vor Erregung sabbelnd, ja seifernd, mit aus den Höhlen tretenden Augen, in einem fort seufzend und leise stöhnend, an der unendlich langen Reihe der Sonderangebote entlangschiebt? Das bin ich.
Im Zuge des Erwachsenwerdens ordentlich deformierte Charaktere wie ich haben ja längst alle Triebe (einschließlich des Freßtriebes) sublimiert bzw. in einem einzigen, gesellschaftlich akzeptierten und sogar ungefährlichen Resttrieb oder besser Triebchen zusammengefaßt: dem Schnäppchentrieb bzw. Schnäppchentriebchen oder auch Schnapptriebchen. Angesichts eines sechsteiligen Schraubendrehersatzes für 4,99 Mark wallt mein Blut auf, gleichzeitig überfallen mich Wangenrot und Aphasie, und dann muß ich leise stöhnen und einpacken. Im Nu schiebe ich drei 60-Watt-Birnen für 99 Pfennig, einen Zimmerbesen für 2,99 Mark, ein Kilo Kreuzschlitzschrauben (3,99 Mark), ein Dreierset Haushalts-, Schmier- und Kriechöl (2,99) und einen supergeilen Aluwerkzeugkoffer, abschließbar, (29,99 Mark) vor mir her.
Drei Sachen sind komisch: Erstens, daß ausgerechnet Baumärkte Eldorados für uns Schnapptriebchen-Getriebene sind. Zweitens, daß ich immer mit leeren Händen das Geschäft verlasse (hier folgt eine bitterernst gemeinte Entschuldigung an alle Baumarktmitarbeiterinnen, die meine vollen Einkaufswagen wieder leerräumen müssen). Komisch ist drittens, daß diese Kolumne vorübergehend „Alles Turnschuh“ heißt. Aber Sie haben sich geschnitten, wenn Sie denken, hier würde vorschnell irgendwas erklärt. Burkhard Straßmann
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