Die Knigge-Frage: Du hast da was am Bein
Anker, Rose, Totenkopf: Wer sich so tätowiert, dass andere es sehen, den darf man doch auch auf sein Tattoo ansprechen. Oder?
Warum denn nicht, würde man antworten, wenn man der Intuition folgen würde. Würde man nicht wissen - trotz der Sprichwörter und Studien, die das Gegenteil beweisen wollen -, dass der erste Impuls eben doch nicht immer der bleibende ist.
Und was sollen die Klassiker auch groß mehr bedeuteten als das, was zu erahnen ist, der Totenkopf ein Symbol für Vergänglichkeit, die Schwalbe eins für Freiheit, der Anker das für Heimat, das Arschgeweih für … indigene Völker Polynesiens?
Also: Es ist komplexer.
Das Titelgespräch mit dem Philosophen Julian Nida-Rümelin über Thomas de Maizière, Rücktritte und Schattenbeamte lesen Sie in der taz.am wochenende vom 27./28. Juli 2013. Darin außerdem: Das Leben von Carlos Rodolfo d’Elia änderte sich, als er seine vermeintliche Mutter in Handschellen fand. Und: Wie Heckler & Koch in den USA Geschäfte macht. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Zwölf Millionen Deutsche, die tätowiert sind, sind zwölf Millionen Individuen, die sich Unterschiedlichstes denken, bevor sie sich Körperbilder- oder wörter in die Haut stechen lassen: Erinnerungen oder Wünsche, Geheimes oder Gemeines, alles oder nichts.
Ist es da höflich, wenn andere einem auf den Nacken / Handrücken / Knöchel starren und affektiertem Blinzeln derartige Ausrufe folgen lassen: "Häää, ich kann das nicht lesen, halt mal still"?
Die Antwort ist "nein" und gilt auch für in diesem Zusammenhang beliebte Fragen wie: "Ist dir ein Farbkasten ausgelaufen oder ist das ein Tattoo?" / "Hast du dich verletzt oder ist das ein Tattoo?" / "Kann das weg oder ist das ein Tattoo?"
Genauso wenig wie der Hardcore-BVB-Fan erklären muss, warum er Jürgen Klopp auf seinem Rücken hat, muss der Germanistikstudent die hebräischen Schriftzeichen auf seinem Arm erklären. Vielleicht ist der Fan in Klopp verliebt und der Student Legastheniker.
Wenn aber das Unwissen bezüglich der Tätowierung eines Menschen, den man nicht gut genug kennt, als dass er bereitwillig über sie Auskunft gäbe, wirklich schlaflos macht: Dann helfen Feingefühl ("Darf ich fragen, was dein Tattoo bedeutet - oder ist das privat?") und Akzeptanz ("A no is a no is a no").
eine ungelöste BenimmFrage? Mailen Sie an
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“