■ Die Klimapolitik der Bundesregierung ist gescheitert: Wenn Kohl rechnet
Die Nachricht ist nicht neu, allein, sie kommt teurer und gewichtiger daher. Die Bundesregierung ist mit ihrer Klimapolitik gescheitert. Wenn sie das selbstgesteckte Ziel doch noch erreichen wollte, müßte sie bis zum Jahr 2005 rund 700 Milliarden Mark zur Sanierung des gesamten Altbaubestands in der Republik ausgeben, heißt es in einer bislang nicht veröffentlichten Studie im Auftrag von Wirtschaftsminister Günter Rexrodt.
Man kann dieses Ergebnis auf zwei Arten interpretieren. Entweder versucht die Regierung mit allen Mitteln, den Schutz des Klimas teuerzurechnen. Dann wäre die Studie, die solche Horrorzahlen nennt und obendrein Aufruhr in der Bauindustrie und Arbeitsplatzverluste für Hunderttausende prognostiziert,
nur ein weiterer Versuch, das eigene Klimaziel ohne viel Gesichtsverlust zu beerdigen. Der Sachzwang regiert: Was nicht bezahlbar ist, kann man nicht versprechen.
Alle Welt weiß schließlich, daß unser Kanzler, der noch 1995 in Berlin der Welt vorbildlichen Klimaschutz aus Deutschland versprochen hat, kein Ökonom ist und in solchen Fragen immer nur dicke Backen macht ...
Oder die neue Studie malt gar nicht absichtlich schwarz. Das Klimaziel kann auch mit großer Kreativität und vielen Tricks eigentlich nicht mehr erreicht werden. Hauptgrund: Die Kohl-Regierung hat zwar viel über das Ziel gesprochen, hat einen dicken Katalog mit 109 Klimaschutmaßnahmen verabschiedet, aber seit der ersten Absichtserklärung 1990 im Grunde nichts getan. Deutschland schädigt heute das Klima nur deshalb weniger, weil die Industrie im Osten zusammengebrochen ist. Im Westen wird weiter erwärmt, was das Zeug hält. Versprechen hin oder her – alle Welt weiß schließlich, daß der Kanzler, der den Klimaschutz versprochen hat, kein Ökonom ist und wartet, daß sich Probleme von selbst lösen...
Die Alternativen sind wenig schmeichelhaft. Egal, ob nun das Wirtschaftsministerium die Klimastudie in perfider Absicht in Auftrag gab, oder ob die Ergebnisse der Ökonomen tatsächlich die triste Realität widerspiegeln – der Kanzler ist der Dummbeutel, der, wie schon beim Aufbau Ost (blühende Landschaften) und dem Arbeitslosenheer (Halbierung), das Versagen deutscher Politik verantwortet. Da kann man nur den Hut ziehen vor den Strategen, die dies Bild möglich gemacht haben. Hermann-Josef Tenhagen
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