: Die Keine-Knirschereien-Koalition
Landtagswahl in Kiel: Grüne überraschend locker über fünf Prozent. SPD sagt: Bei Großprojekten gibts kein Wackeln ■ Von Peter Ahrens
Als die erste ARD-Prognose mit sieben Prozent über den Bildschirm kommt, schlägt Antje Radcke die Hände über dem Kopf zusammen. Die grüne Bundessprecherin kann es wohl selbst nicht ganz fassen, dass die Grünen bei der gestrigen Landtagswahl in Schleswig-Hol-stein die Fünf-Prozent-Hürde so locker überspringen würden. Spätere Hochrechnungen pendelten sich bei knapp 6,0 Prozent für den kleinen Koalitionspartner ein – das war wohl die größte Überraschung am Wahlabend: „Voll zufrieden“ und „begeistert“ ist Radcke – rot-grün kann in Kiel wohl weitermachen.
All die Voraussagen, dass die Grünen-WählerInnen unzufrieden ihrer Partei den Rücken zudrehen, erwiesen sich als falsch. Spitzenkandidatin Irene Fröhlich kann sich daher hinstellen und sagen: „Wir haben gute Arbeit geleistet.“ 6,0 Prozent – das reicht, um die Koalition mit der SPD fortzusetzen. Und dass die Sozis die Grünen nicht fürchten müssen, macht Fröhlich auch gleich klar: Man werde eine Politik anstreben, „die Umwelt- und Wirtschaftspolitik versöhnt“. Sie geht davon aus, dass „es künftig weniger Knirschereien“ zwischen rot und grün geben werde. Das klingt nach einfachen Koalitionsverhandlungen für die SPD.
Die hat am Wahlabend nach ihren hochgerechnet satten 43,0 Prozent auch keinen Grund, auf die Grünen großartig einzugehen. „Bei den Großprojekten, die unsere Ministerpräsidentin durchsetzen wird, gibt es kein Wackeln“, sagt Gesundheitsministerin Heide Moser eindeutig. Das heißt: A 20, feste Fehmarnbelt-Querung – da gibt es keine Verhandlungsmasse aus SPD-Sicht. Auch wenn Hamburgs GAL-Parteichef Peter Schaar das in einer ersten Stellungnahme noch anders sieht. Er hofft auf einen deutlichen Akzent grüner Politik in der Landesregierung und nimmt das Ergebnis ansonsten als gutes Zeichen für Hamburg: „Schließlich sind wir auch schon im Vorwahlkampf.“
Der eigentliche Wahlsieger ist der Verlierer. Die FDP von Wolfgang Kubicki schießt auf 7,5 Prozent nach oben und bleibt trotzdem Opposition. Die Verärgerung ist ihm anzumerken. „Die SPD soll mal sehen, wie sie mit diesen Grünen fertig wird“, schmollt Kubicki.
Ohne Spendenaffäre hieße der Regierungschef der nächsten Jahre Volker Rühe. So aber erhielt die CDU nur 35,6 Prozent. Die Aussicht auf verspielte Regierungsfreuden lässt selbst Rühes Intimfeind, CDU-Landeschef Peter Kurt Würzbach, gestern abend verkniffen dreinblicken und von einem „Mühlstein aus Berlin am Hals“ sprechen, den die Union mit sich habe herumschleppen müssen.
Dem Südschleswigschen Wählerverband kann solch Miesepeterei egal sein: Vier Prozent. Landeschefin Gerda Eichhorn kann es mit Radcke halten: „All unsere Erwartungen sind übertroffen.“
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