: »Die Hölle ist man selber«
Foto: Wolfram Schmidt
Diese Zeile aus T.S. Eliots »Die Cocktailparty« könnte als Überschrift für das Leben sämtlicher Protagonisten des Stückes dienen. Das Ehepaar Chamberlayne, unfähig zu lieben und geliebt zu werden, verdrängt diese Hölle des Alleinseins: ihr Leben verläuft wie eine Cocktailparty — oberflächlich — und ohne Reflektion.
Ähnlich verhält es sich mit ihrem Liebhaber Peter. Er begibt sich nach Beendigung der Affäre sogar in einen anderen Teil des Landes, um zu vergessen.
Eine einzige weicht nicht aus, Celia, die anfängliche Geliebte von Mr. Chamberlayne. Für das, was sie erlebt, macht sie nur sich selbst verantwortlich. Ihr Weg ist der weitaus schwierigste. Am Ende stirbt sie als eine Art Heilige.
Für Eliot ist die Flucht in die Projektion der meistgewählte Weg des Menschen, um mit dem Leben fertigzuwerden.
Schlüsselfigur des Stücks ist der »Unbekannte Gast«, der sich auf einer der Partys einstellt. Er stellt sich als Psychotherapeut heraus, der seherische Fähigkeiten besitzt. Zusammen mit seinen Assistenten Julia und Alex bewirkt der Arzt, daß Celia ihren eigenen Weg erkennt und das zerrüttete Ehrpaar Chamberlayne wieder zueinander findet.
»Die Cocktailparty« ist ein sehr psychologisches Stück, in dem Begriffe aus dem Christentum wie Sünde, Schuld und Beichte eine große Rolle spielen. Der Unbekannte Gast und seine Assistenten verstärken dieses Element noch durch ihre Wächter- oder auch Schutzengelfunktion. Aktion auf der Bühne gibt es fast gar nicht.
Regisseur Rolf Winkelgrund vom Maxim Gorki Theater und sein Dramaturg Manfred Möckel hätten gut daran getan, das Stück erheblich zu kürzen. So faszinierend das Thema auch ist, so ermüdend ist es für den/ die Zuschauer/in, einem dreistündigen Psychologisieren zuzusehen.
Die Besetzung der Rollen ist ausnahmslos hervorragend. Uwe Kockisch und Anne-Else Paetzold als Ehepaar Chamberlayn verkörpern glaubwürdig ihre Lebenslüge. Swetlana Schönfeld ist eine mutige und traurige Celia. Herausragend und ungemein belebend stellen Monika Lennartz und Götz Schubert die Assistenten dar. In der ersten Hälfte sind sie neugierig und aufdringlich — die Klatschbasen der Gesellschaft. Im zweiten Teil wird ihre wahre Berufung enthüllt. Die kolossale Wandlung der beiden ist sehr spannend mitzuerleben. Weniger spannend leider Hansjürgen Hürrig als Unbekannter Gast. Eliot selbst beschreibt diesen Charakter als exzentrisch und ungezügelt. Davon ist auf der Bühne nichts zu bemerken. Die Inszenierung hält ihn unauffällig. Schade, gerade seine Figur hätte zur weiteren Auflockerung des Bühnenstücks beitragen können.
Immerhin bietet das Maxim Gorki Theater eine der wenigen Möglichkeiten, ein Stück von Eliot auf der Bühne zu sehen. Der/ die interessierte Zuschauer/in sollte viel Ruhe und Muße mitbringen, um Eliots Psychologie folgen und sie genießen zu können. Unruhigen Geistern ist das Stück nicht zu empfehlen. Anja Poschen
»Die Cocktailparty« am Mittwoch, dem 26.Dezember, um 19.30 Uhr im Maxim Gorki Theater
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