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■ Die Grünen und die Parteiräson: Ein Rückblick aus dem Jahr 2009Koalitions-Wahlverein

Die Partei wird seit Jahren gescholten, eigentlich sei sie gar keine politische Partei mehr, eigentlich sei sie nur noch ein Wahlverein, einziges Ziel: die Bestätigung des Außenministers. Inhaltliche Debatten müssen hinter dieser Anforderung zurücktreten, auf Parteitagen wird der Spitze zugejubelt und ihre Politik per Akklamation bestätigt.

Nein, es geht nicht um die CDU, die stellt auch in Zukunft nicht den Außenminister. Es geht um die Grünen. Ende der 90er hatte sich die Partei von einer Programmorganisation zum Wahlverein entwickelt. Einige ihrer Bundespolitiker setzten im Vorfeld der Wahl 1998 durch, daß der Streit in der Partei nurmehr mit dem Blick auf den Koalitionspartner SPD stattfinden kann. Hält die SPD die Diskussion für unmöglich, wird diese beendet. Schon der vermutete Widerstand aus der SPD killte fürderhin die politische Phantasie. Daß 2002 Rot-Grün an die Macht kam, verschlimmert die Sache noch: Von Deutschland als Einwanderungsland traute sich kein grüner Minister zu reden. Und nachhaltig war an der Politik der rot-grünen Koalition nur die Unterstützung der siechen Autoindustrie. Gelegentlich kleinere Revolten der Parteibasis verstand die Führung unter diplomatischer Anleitung von Josef Fischer immer wieder auszusitzen.

Daß viele ältere MitbürgerInnen die Grünen mit der CDU verwechseln, kommt nicht von ungefähr. Die CDU hatte den Grünen jahrzehntelang vorgemacht, daß ein solcher Politikstil ungeheuer erfolgreich sein kann. Erinnern sie sich: Wie Wolfgang Schäuble damals den Nerv der Partei traf mit seinem Eintreten für eine Bildungs- und Steuerreform, für Mineralölsteuererhöhung und solide Rentenfinanzierung. Und wie Langzeitkanzler Helmut Kohl dafür sorgte, daß aus solchen Programmen keine Politik wurde, weil dies den damaligen Koalitionpartnern CSU und FDP nicht zugemutet werden konnte.

Insofern kann sich Ludger Volmer auf den Grünen-Parteitag 2009 freuen. Die Auflösung der Nato und das Abspecken der Bundeswehr auf nur noch 20 Prozent ihrer heutigen Stärke können im Programm der Grünen festgeschrieben bleiben – bis zum St. Nimmerleinstag, nur eben nicht als konkrete Politik. Volmer kann auf dem Parteitag eine umjubelte programmatische Rede halten. Und wenn der Altersstarrsinn nicht doch noch eintritt, wird seine Zeit als Nachfolger von Außenminister Joseph Fischer kommen. Schließlich liegen Volmers Popularitätswerte in den Meinungsumfragen schon heute über denen des Ministers. Hermann-Josef Tenhagen

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