■ Richtlinien für Waffenexporte werden nun doch neu diskutiert: Die Grünen taktieren geschickt
Die Gesichter wirkten eher bedröppelt – und es lag nicht allein daran, dass die rot-grüne Koalitionsrunde bis kurz vor Mitternacht dauerte. So recht mochten sich die grünen Unterhändler nicht freuen. Zu kärglich schien ihnen offenbar ihre Ausbeute beim Gefeilsche mit den Sozialdemokraten um die weiterreichende Beschränkung bei Rüstungsexporten. Dabei haben die Grünen zum ersten Mal gezeigt, dass sie zum Regieren fähig sind: Sie haben eine drohende Niederlage in einen kleinen Sieg verwandelt.
Noch vor einer Woche sah die Welt der grünen Politik denkbar trübe aus. Ein exportfreudiger Bundeskanzler, mit Verteidigungs- und Wirtschaftsminister im Schlepptau, wollte sich partout nicht davon abhalten lassen, einen Panzerdeal mit der Türkei abzuschließen. Mehr hilflos als lautstark klang das Wehklagen aus den Reihen der Grünen.
Alle moralischen Argumente glaubte man auf der eigenen Seite. Doch ein bisschen hinhaltender Widerstand von Joschka Fischer im Bundessicherheitsrat schien alles, was die Partei aufzubieten hatte. Bei der entscheidenden Sitzung des Rates wurde Fischer denn auch prompt von den Schröder-Genossen überrollt. Ein Jahr nach der Bundestagswahl versprach der Streit um die Waffenexporte so auszugehen wie so viele grüne Reformvorhaben: Viel zu lange hielt die Partei still, und plötzlich hat der Kanzler entschieden – die EU-Altautoverordnung lässt grüßen.
Diesmal gelang den Grünen ein geschickter Zug. Sie gaben ein kleines Anliegen verloren, um in einer großen Sache gewinnen zu können: Kein grüner Unterhändler versuchte ernsthaft, die Lieferung des Testpanzers an die Türkei rückgängig zu machen. Stattdessen nutzten die Grünen die öffentliche Empörung über den Panzerverkauf, um eine Frage von viel grundsätzlicherer Bedeutung erneut ins Rampenlicht zu schieben – die künftigen Richtlinien der Bundesregierung für den Waffenexport.
Zuvor hatte die grüne Position auch hier, wie beim Panzerverkauf, im Halbdunkel des geheim tagenden Bundessicherheitsrates eine Niederlage erfahren. Im Sommer war auf Schröders Drängen eine weit reichende Verschärfung abgelehnt worden. Doch so viel Aufruhr, auch öffentlichen, verstanden die Grünen im Laufe der vergangenen Woche zu schüren, dass diesmal der Kanzler klein beigab. Das Ergebnis: Eine Arbeitsgruppe wird sich die eigentlich längst abgesegneten Richtlinien erneut vornehmen – mit einem klaren Auftrag beider Koalitionspartner: Verschärfung. Patrik Schwarz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen