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■ Die Grünen sollten sich von der Frauenquote verabschiedenZauberwort Strukturreform

In Magdeburg vor anderthalb Jahren ein Riesensatz: Weltrekord beim Benzinpreis! Wie ein Lauffeuer verbreitete sich diese politische Höchstleistung durch die Republik. Viel Feind, viel Ehr, dachte sich die grüne Partei und kämpfte tapfer wie weiland Don Quichote gegen jede Windmühle, die sie auf ihrem Weg zur Macht ausfindig machen konnte. Es hat ihr alles nichts genutzt. Statt weiter in der Opposition die bessere Hälfte der Politik spielen zu können, musste sie am Wahlabend in den sauren Apfel beißen. Knapp ein Jahr später traf man sich im Oktober in Magdeburg, en famille diesmal, es tagte der Länderrat. Es galt Bilanz zu ziehen und Heilmittel zu finden für die vielen Wunden, die die zahlreichen Wahlniederlagen geschlagen hatten. Die Grünen sind unbeliebt, dabei ist die Bilanz – schaut man nur auf die Fakten – so schlecht nicht. Schließlich waren die meisten blutige Anfänger im Regierungsgeschäft, zudem konfrontiert mit einer Gesellschaft, die sie eher nicht will, einem Kanzler, der lieber mit der CDU regiert hätte, und einer SPD, die nicht weiß, wohin sie will, aber die Zügel in der Hand hält.

Das Zauberwort gegen die grüne Malaise lautet Strukturreform. Ein Dauerbrenner grüner Politik. Die Strukturen der Grünen sind die Altlasten einer ursprünglich rein oppositionellen Anti-Parteien-Partei. Heute sind die Grünen nicht mehr Gegner, sondern Pfeiler des Systems. Nicht Umsturz, Reform steht auf dem Programm. Die Strukturen der ersten Stunde aber sind ein klassisches Lehrbeispiel für die normative Kraft des Faktischen geworden. Sie stehen unerschütterlich wie Felsen in der Brandung des Regierungsalltags, solide eingebaut in eine Satzung, die nur mit der Zweidrittelmehrheit einer Bundesdelegiertenkonferenz geändert werden kann.

Einstimmig wurde auf dem Länderrat die Abschaffung des Parteirates zugunsten eines Präsidiums gefordert. Fast drei Viertel stimmten für die Abschaffung der Trennung von Amt und Mandat beim Bundesvorstand. Doppelspitze und Frauenquote sollen unverändert bleiben. Fast alle RednerInnen bekundeten, dass Strukturen kein Selbstzweck seien. Gut gebrüllt, Löwe! Leider wurde der Zweck von den meisten RednerInnen fast autistisch nur auf die innergrüne Verfassung bezogen. Die Frage lautete nicht: „Welche Strukturen brauchen wir, um unsere Politik durchzusetzen?“ Diskutiert wurde vielmehr: „Was ist gut für unsere Befindlichkeit?“

Beispiel Doppelspitze. Fritz Kuhn, womöglich der nächste Vorsitzende der Bundesgrünen, gibt resigniert in der taz zu Protokoll, dass er zwar im Prinzip für die Abschaffung der Doppelspitze sei, aber weil dafür das Frauenstatut geändert werden müsse, sei jede Diskussion darüber hoffnungslos. Ob die Doppelspitze daran schuld ist, dass 81 Prozent der Bevölkerung die Grünen für heillos zerstritten halten, ist des Überlegens nicht weiter wert. Kleines Beispiel: Die Bundestagsfraktion wehrt sich vehement gegen die Rente mit 60, Antje Radcke unterstützt auf dem IG-Metall-Kongress Zwickel ohne Wenn und Aber. Schlagzeile der Tagespresse: Grüne für Rente mit 60. Wer glaubt, das würde nicht schaden, sollte sich noch mal die letzten Wahlergebnisse anschauen. Keine Partei kann ihre Spitzenposten ungestraft nach dem Motto „eins links, eins rechts, Verantwortung fallen lassen“ besetzen.

Beispiel Frauenquote. Jeder Mann, der sie bei den Grünen diskutieren will, ist politisch tot. Dennoch gibt es ein paar Fakten, die dagegen sprechen. Erstens: Alle Menschen sind den Grünen gleich, nur Frauen sind gleicher. Zweitens: Die Reservierung des Spitzenplatzes für Frauen verhindert einen fairen demokratischen Wettbewerb. Nicht Ideen und politische Durchsetzungskraft sind entscheidend, sondern Geschlechtsmerkmale. Drittens: Die strukturelle Benachteiligung eines Geschlechts ist einer demokratischen Partei auf Dauer unwürdig.

Die Grünen brauchen die Gesellschaft – aber die Gesellschaft braucht die Grünen nicht. 6,7 Prozent 1998 und seitdem nur Niederlagen. Wenn die Bundesdelegiertenkonferenz im März 2000 wieder über die Strukturen entscheidet, muss sie die Frage beantworten: „Welche Strukturen bringen die Grünen wieder nach vorne?“ Fehlt dazu die Kraft, ist der weitere Abstieg programmiert. Christoph Nick

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