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„Die Großen wollen uns marginalisieren“

■ Interview mit Andrée Buchmann, Sprecherin der Grünen (Les Verts)

taz: Frau Buchmann, wie erklären Sie sich die unerwartete Niederlage des ökologischen Bündnisses?

Andrée Buchmann: Die acht Prozent Stimmen auf nationaler Ebene beweisen, daß die ökologische Bewegung in Frankreich durchaus verwurzelt ist. Dennoch empfinden wir das Ergebnis als Niederlage, weil wir nicht auf das Niveau der Regionalwahlen vom März 92 gekommen sind. Erstens hat es eine starke Bewegung nach rechts gegeben – und unter solch einem Erdrutsch leiden alle kleinen Gruppierungen. Zweitens hat die PS unsere Wähler im Wahlkampf völlig verwirrt. Einmal durch Rocards Rede vom big bang, zum anderen durch die Ankündigung vor einer Woche, daß sich die sozialistischen Kandidaten im zweiten Wahlgang zu unseren Gunsten zurückziehen würden, falls sie schlechter plaziert sein sollten. Viele Wähler haben uns daraufhin als Ersatztruppe der Sozialisten betrachtet. Und weil die Franzosen der PS einen Denkzettel verpassen wollten, mußten auch all diejenigen dafür büßen, die den Sozialisten ihrer Ansicht nach nahestehen. Drittens: Wir haben unser Programm schlecht erklärt.

Welche Folge wird die Wahlniederlage für das Bündnis mit Génération Ecologie (GE) haben?

Wir müssen die Allianz weiterführen, denn sie betrifft nicht nur zwei Personen, sondern die gesamte Bewegung. Wir sind zwei Bewegungen, die nicht die gleiche Kultur haben. Doch auch wenn wir mit gewissen Leuten von GE politisch nicht einverstanden sind, so können wir doch mit anderen – und vor allem auf lokaler Ebene – gut zusammenarbeiten. Diese Kooperation muß fortgesetzt werden. Ohne das Bündnis wäre unser Ergebnis noch schlechter ausgefallen.

Was müssen die Öko-Parteien in Zukunft anders machen?

Wir müssen über unsere Inhalte und unsere politische Praxis nachdenken. Wir müssen zeigen, daß wir andere Vorschläge haben als die PS. Und wir müssen effizienter werden, müssen eine deutlichere Sprache sprechen, müssen uns mit GE ideologisch einigen, dürfen unsere politischen Führer nicht länger runtermachen.

Also von einer Bewegung zu einer echten Partei werden?

In gewisser Weise, ja. Wobei die Basis weiterhin so weit wie möglich an allen Entscheidungen beteiligt werden muß.

Welchen Anteil hat Ihrer Ansicht nach das Mehrheitswahlrecht an der Niederlage?

Dieses Wahlrecht zermalmt kleine Parteien auf ganz mechanische Weise. Es sollte das Rechts- Links-Schema bewahren, und jetzt werden wir zwischen links und rechts aufgerieben. Die großen Parteien, Sozialisten wie Konservative, wollen uns mit allen möglichen Mitteln marginalisieren. Das Gespräch führte Bettina Kaps

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