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Die Grenze bei RafahAusbau der Festung Ägypten

Die Grenze zwischen Gaza und Ägypten wird verstärkt. Kairo rüstet sich offenbar für einen Massenansturm im Falle einer Bodenoffensive in Rafah.

Kein Durchkommen: Grenzanlage in Rafah zwischen Gaza und Ägypten am 10. Februar Foto: Mohammed Salem/reuters

Mit der drohenden israelischen Bodenoffensive in Rafah rückt die politisch hochsensible Grenze zwischen Gaza und Ägypten in den Blick. Weit mehr als eine Million Menschen sind auf palästinensischer Seite in und um die Kleinstadt Rafah zusammengetrieben worden.

Ägypten baut derweil von der anderen Seite die Grenzzäune und -mauern immer weiter aus und lässt nur wenige Verwundete zur Behandlung in Krankenhäusern durch. Doch ob die Grenze einem Massenansturm standhalten würde, ist unklar.

Das unabhängige ägyptische Nachrichtenportal Mada Masr berichtet unter Berufung auf Augenzeugen auf beiden Seiten der Grenze, dass das Land stattdessen in den vergangenen Tagen eine Betonmauer mit Stacheldraht sowie eine Stahlbarriere weiter ausgebaut habe. Laut Berichten hat Kairo zudem 40 Panzer und Militärfahrzeuge in Richtung Grenze geschickt.

Schon im November hatte Kairo auf ägyptischer Seite eine Sandbarriere und zusätzliche Betonbarrieren errichtet. Sie sollen verhindern, dass von palästinensischer Seite aus Menschen in eine Pufferzone auf ägyptischer Seite gelangen. Das Regime in Kairo schließt es aus, die Grenze in großem Maßstab für Schutzsuchende zu öffnen. Grund dürfte in erster Linie sein, dass palästinensische Flüchtlinge in Ländern wie Jordanien oder dem Libanon seit Jahrzehnten eine erhebliche politische Kraft sind.

Als Israel den Sinai verließ

Die Grenze zwischen Gaza und Ägypten ist politisch sensibel, denn im Rahmen ihres Friedensvertrags von 1979, der die israelische Besatzung der ägyptischen Halbinsel Sinai beendete, einigten sich beide Länder auf eine Pufferzone namens Philadelphi-Korridor.

Dieser 14 Kilometer lange Streifen, der auf palästinensischer Seite liegt, erstreckt sich über das gesamte Grenzgebiet zwischen Gaza und Ägypten und sollte von israelischen Streitkräften kontrolliert und patrouilliert werden. Ägypten stimmte außerdem zu, die Sinai-Halbinsel teilweise zu demilitarisieren.

Israel kontrollierte den Philadelphi-Korridor bis 2005, als es sein Militär komplett aus dem besetzten Gazastreifen zurückzog und alle israelischen Siedlungen in dem Gebiet räumte. Ägypten und Israel einigten sich in diesem Zug auch auf neue Regeln. So durfte Ägypten 750 Soldaten und schwere Waffen zur Überwachung und Sicherung der ägyptischen Seite des Korridors in das Gebiet schicken. Zwei Jahre später übernahm die Hamas die vollständige Kontrolle im Gazastreifen, einschließlich des Grenzgebiets zu Ägypten.

Wohin im Fall einer Bodenoffensive?

Nun stellen zwei Entwicklungen das Sicherheitsarrangement erneut infrage: Zum einen hat Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu erklärt, den Philadelphia-Korridor wieder unter israelische Kontrolle bringen zu wollen. Das Gebiet „muss in unseren Händen sein“, sagte er. Ansonsten ließe sich die von Israel angestrebte Demilitarisierung des Gaza­strei­fens nicht durchsetzen. Eine Rückeroberung des Korridors würde zwar nicht ägyptisches Staatsgebiet betreffen, doch wäre der Gaza­strei­fen damit faktisch von Ägypten getrennt.

Zum anderen stellt sich die Frage, was passiert, sollte Israels Militär in den kommenden Wochen tatsächlich mit Bodentruppen in Rafah vorrücken. Zwar hat Netanjahu angedeutet, dass die Zi­vi­lis­t*in­nen aus Rafah in den nördlichen Gazastreifen fliehen könnten, wo es viele Gebiete gebe, die von der Armee geräumt worden seien. Allerdings geben Hilfsorganisationen zu bedenken, dass freie Flächen, auf denen jegliche Infrastruktur fehle, keine Option seien für die Unterbringung von Zehntausenden Menschen.

Nicht auszuschließen ist ein Massenansturm und möglicherweise ein Durchbrechen der hoch gesicherten Grenze zu Ägypten – ein Szenario, das Kairo unbedingt verhindern will. Laut Berichten vom Wochenende soll Kairo hinter den Kulissen sogar mit einer Aussetzung seines Friedensvertrags mit Israel gedroht haben, sollte Israels Militär in Rafah eindringen.

Offenbar in Reaktion auf die Berichte sagte Außenminister Samih Shukri am Montag allerdings: „Es gibt ein Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel, das seit 40 Jahren in Kraft ist und auch in Kraft bleiben wird.“ Der Friedensschluss von 1979 mit Israel war ein historischer Schritt, war Ägypten doch das erste arabische Land, das Israel offiziell anerkannte.

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4 Kommentare

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  • Letztlich will keiner das Palästinensische Pulverfass im eigenen Land haben. Wird Zeit, dass die Palästinenser sich mal selber um die Entschärfung kümmern, statt immer mit neuem Feuer zu drohen.

  • Was mich sehr wundert, ist die Zurückhaltung der muslimischen Staaten ihren Glaubensbrüdern und -schwedtern gegenüber.



    Da herrscht anscheinend sehr großes Mißtrauen?

  • Kein Wort über Solidarität zwischen Arabischem Staat(en) und den Palästinensern. Irgendwie auch schade hier oder anderswo praktisch nix zu lesen außer Lippenbekenntnissen.

  • So b..d ist nicht mal Netanjahu,

    seid Jahrzehnten arbeiten Israels und Ägyptens Sicherheitskräfte zusammen,



    wenn er das aufs Spiel setzt dann steigen ihm seine eigenen Militärs aufs Dach.