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Die Farben der Macht

Erste Galeristin am Hofe Louis XV.: Eine umfangreiche Ausstellung zeigt in München und London, dass Madame de Pompadour nicht mit Sex, sondern mit Kunstwerken erfolgreich Politik machte

von ANDREA WEISBROD

Kann man mit Kunst Politik machen? Madame de Pompadour hätte diese Frage sicher bejaht, denn sie bediente sich 20 Jahre lang künstlerischer Mittel, um ihre Macht als offizielle Mätresse des französischen Königs Louis XV. zu erhalten. Wie vollendet sie dies getan hat, zeigt in diesem Jahr eine Ausstellung, die von Versailles über München nach London tourt und – längst überfällig – eine große Lücke in der bisherigen Pompadour-Rezeption schließt.

Fast jeder westeuropäische Mensch hat schon einmal etwas von „der Pompadour“ gehört und fast immer sind es Klischees, die, ebenso negativ wie hartnäckig, bis in die Gegenwart überdauert haben. Eitel sei sie gewesen, raffgierig und nicht besonders klug. An der Macht sei sie geblieben, weil sie den inkompetenten, wollüstigen Herrscher mit jungen Geliebten versorgt und der sie aus purer Gewöhnung nicht vom Hof vertrieben habe. Im Kontrast dazu zeigt die Versailler Ausstellung die berühmte Mätresse nun erstmals als geschickte Strategin, die nicht mit Sex, sondern Kunst erfolgreich Politik machte.

Zu diesem Zweck wurde eine beeindruckende Anzahl Kunstgegenstände versammelt, die zu allererst eines belegen: Madame de Pompadour war eine geradezu manische Sammlerin – Teppiche, Porzellan, Möbel, Malerei, Skulpturen, Grafiken – nichts, was ihr nicht des Sammelns Wert gewesen wäre. Damit wurde sie zu einem Motor zeitgenössischer Kunst- und Kunstgewerbeproduktion in Frankreich.

Unterstützt hat sie ihr Bruder Abel François de Marigny, der in ihrem Leben eine ebenso große Rolle spielte wie in der französischen Kunstpolitik, der er in seiner Funktion als Oberintendant der königlichen Bauwerke vorstand. Sein von langer Hand geplanter Aufstieg in das einflussreiche Ministeramt belegt das politische Geschick der Mätresse auf eindrucksvolle Weise.

Im Jahr 1745, nach der überraschenden Ernennung Jeanne Antoinette Poissons, so der bürgerliche Name, zur offiziellen Mätresse, war das Amt zunächst an ihren Ziehvater Lenormant de Tournehem gegangen. Ihr jüngerer Bruder wurde währenddessen mit einem Künstler auf Italienreise geschickt, um sich auf die spätere Übernahme des Postens vorzubereiten.

Madame de Pompadour las die regelmäßig eintreffenden, vom Reiseverlauf und den künstlerischen Fortschritten ihres Bruders berichtenden Briefe ebenso regelmäßig dem König vor, der so zunehmend von der Eignung Marignys für das vorgesehene Amt überzeugt wurde. Wie sich nun anhand der detaillierten Ausstellung nachvollziehen lässt, stand die Mätresse ihrem Bruder auch ohne Bildungsreise in Geschmackssicherheit und Experimentierfreude in nichts nach.

Zu denen, die von ihr durch umfangreiche Aufträge gefördert wurden, gehörten die wichtigsten Künstler ihrer Zeit und sie brachte durch ihre Sammeltätigkeit neue Strömungen auf den Weg. Altmeister wie François Boucher oder der offizielle Hofmaler Jean-Marc Nattier gehörten ebenso zu den von ihr geschätzten Künstlern wie die Newcomer Jean-Baptiste Chardin oder Jean-Baptiste Greuze. Auch war sie unter den ersten, die chinesische Lackmöbel kauften und sich schon früh für Meißner Porzellan interessierten, während der restliche Hof sein Geschirr noch ausschließlich im französischen Sèvres kaufte.

Ihre für die Ausstellung erstmals rekonstruierten Interieurs zeigen, wie stilsicher die Mätresse Kunsthandwerk und Kunst mischte, um ihre Räume zu beeindruckenden, persönlichen Gesamtkunstwerken zu gestalten. Ihr Umgang mit Kunst ging jedoch wesentlich über bloße Sammelleidenschaft hinaus. Wie die in der Ausstellung umfangreich dokumentierten Ankäufe nach 1750 belegen, war Kunst für sie in erster Linie ein Mittel zum Erhalt ihrer Macht – was sie nach den ersten fünf Jahren am Hof auch bitter nötig hatte. Denn im Jahr 1750 war ihre Stellung durch massive Angriffe der katholischen Kirche gefährlich ins Wanken geraten. Anlässlich des alle 50 Jahre wiederkehrenden, heiligen Kirchenjahres forderten die Hofgeistlichen Louis XV. öffentlich zur Verbannung seiner Mätresse auf und schienen zunächst mit diesem Anliegen erfolgreich zu sein.

Madame de Pompadour gab sich so schnell jedoch nicht geschlagen und entwickelte gemeinsam mit einem eiligst ernannten Beichtvater eine Strategie, die ihre Machtposition sichern sollte: Sie und der König trennten sich offiziell voneinander, ohne dass Madame de Pompadour ihren Platz als offizielle Mätresse oder gar den Hof verlassen hätte. Aus dieser widersprüchlichen Situation entstand erheblicher Erklärungsbedarf, auf den die Pompadour wiederum erfolgreich reagierte. Sie sei von der Geliebten zur ebenso platonischen wie unentbehrlichen Freundin des Herrschers geworden, lautete die neue Parole, die sie von ausgesuchten Künstlern in Porträts und Skulpturen verbreiten ließ.

Am ausgereiftesten zeigt sich das neue Image als Freundin in einer Porträtskulptur von Jean-Baptiste Pigalle, die im Garten der Pompadourschen Residenz Bellevue aufgestellt wurde. Madame de Pompadour ist hier in Anlehnung an die Personifikation der Freundschaft nach Cesare Ripa porträtiert und scheint in großer Geste ihr Herz dem König darzubieten, dessen Porträtbüste gegenüber der „Freundschaft“ platziert war.

Zusätzlich erwarb sie ab 1750, obwohl sie sich vorher nie für solche Themen interessiert hatte, religiöse Sujets, die wie die Skulptur jeweils einem größeren Publikum gezeigt wurden. Diese Strategie war erfolgreich: Madame de Pompadour konnte sich nach der Trennung vom König noch 13 Jahre lang bis zu ihrem Tod im Jahr 1763 als offizielle Mätresse am Hof behaupten und die zunächst abwartenden Höflingen bescheinigten ihr am Ende der Fünfzigerjahre eine unvergleichlich große Machtfülle und eine geradezu unantastbare Stellung.

Die sehenswerte Ausstellung präsentiert erstmals die lange als Symbol einer „unheilvollen Weiberherrschaft“ verunglimpfte Mätresse als geschickt agierende Diplomatin und belegt die weitreichende politische Bedeutung der Kunst für das 18. Jahrhundert.

„Madame de Pompadour et les arts“ – Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München, 14. Juni – 15. September 2002. National Gallery, London, 16. Oktober – 12. Januar 2003, Katalog 50 €

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