piwik no script img

Die Fallgruben der Koalition

Die Absprachen zwischen Rot und Grün über „Bildung“ waren schnell und präzise. Die Umsetzung dürfte so werden, wie der Kulturföderalismus arbeitet: Langsam und unklar

BERLIN taz ■ So schnell war noch keine Bildungskonferenz beendet. Als die Koalitionäre vergangene Woche ihr neues Lieblingsprojekt „Bildung“ verhandelten, gingen die Türen auf, ehe die Journalisten da waren. Doch die im neuen Koalitionsvertrag vereinbarten Ganztagsschulen, Bildungsstandards, Evaluationsagenturen und Betreuungsgutscheine sind ganz schwer umzusetzen.

Vorschlag Ganztagsschulen: Kein Pädagoge widerspräche der Idee, bis in den Nachmittag hinein Unterricht zu machen. Allenfalls wird die Zahl der angestrebten 10.000 Ganztagsschulen als zu gering angesehen. Eigentlich könnte es also sofort losgehen. Tut es aber nicht. Probleme: Die Länder wollen sich bei Schulfragen grundsätzlich nicht dreinreden lassen. Nun hat die Bundesbildungsministerin sie mit einer Anforderung erst richtig aufgebracht: Geld gibt der Bund nur, wenn die Ganzstagsschule ein sinnvolles pädagogisches Konzept aufweist. Das sehen die Länder als direkte Einmischung in ihre Kompetenz.

Vorschlag Bildungsstandards: Auch sie werden gewollt. Pisa macht’s möglich: Alle sind jederzeit testbereit. Probleme: Zum föderalen kommt hier ein ideologischer Streit hinzu. Die CDU versteht unter Standards zentrale Abschlussprüfungen und Messmethoden, mit denen Kinder sortiert werden können. Die SPD macht bei den zentralen Tests zwar mit. Sie will im Übrigen aber Schülertests, die Auskunft über die Qualität der Schulen geben. Auf Deutsch: Keine Sanktion gegen die Schüler nach zentralen Vergleichsarbeiten! Den Kompromissvorschlag der Bildungsministerin, die Standards im Auftrag von Bund und Ländern unabhängig erarbeiten zu lassen, haben die Kultusminister bislang nicht beantwortet.

Vorschlag Evaluationsagentur: Wer Tests durchführen will, braucht eine Testeinrichtung. In Schweden und Finnland gibt es dafür unabhängige Behörden, in den USA kommerzielle Institute, die Testbögen produzieren. Wie sieht die deutsche Evaluationsagentur aus? Probleme: Eine solche Einrichtung würde das Gefüge der Bildungsorgane vollends durcheinanderwirbeln. Welchen Job haben die Kultusminister sowie die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung dann noch? In welchem Verhältnis steht die Agentur zur „Stiftung Bildungstest“, die bereits damit beginnen hat, Weiterbildungsmaßnahmen unter die Lupe zu nehmen? Die Länder haben auch hier signalisiert: Abwarten und Tee trinken.

Vorschlag Betreuungsgutscheine: Damit soll der Anspruch auf Ganztagskrippen umgesetzt werden. Eltern erhalten Gutscheine – die sie dann bei Tagesmüttern oder Ganztagseinrichtungen einlösen. Probleme: Die Gutscheine sind zwar eine gute Idee der grünen Nachwuchsleute. Ihre operative Handhabung aber ist vollkommen ungeklärt. In manchen Ländern könnte damit ein Wettbewerb um gute Ganztagesplätze entstehen. Andere Länder, wie Berlin und Sachsen-Anhalt, könnten in ihrem unheiligen Ehrgeiz weiter beflügelt werden: ihre vergleichsweise famosen Kinderkrippen-Angebote schlicht teurer zu machen. Berlin etwa hat den Plan bereits in der Schublade, die Kita-Kosten zu verdoppeln. Da käme der Bund gerade recht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen