Die FDP will bald wieder mehr regieren – und zwar mit der SPD: Ein bisschen Glaubwürdigkeit
Lange hat sich niemand für die FDP interessiert. Eine langweilige Oppositionspartei. Ohne erkennbare Funktion. In vielen Länderparlamenten sowieso nicht mehr vertreten. Außerdem war der Spendenskandal der CDU viel zu aufregend. Die FDP fiel erst wieder auf, als sie ihre Traditionsrolle der Mehrheitsbeschafferin eigenartig interpretierte: im Lande Hessen nämlich, wo sie den Ex-Lügner Koch weiterhin unbeirrt stützt.
Hessen war eine Zäsur für die FDP: Es hat die Partei in die Medien und in die Politik zurückkatapultiert. Sie ist wieder Funktionspartei geworden. Jetzt werden die internen Zwistigkeiten und Richtungsentscheidungen mit höchster Aufmerksamkeit registriert. Wenn etwa der Ehrenvorsitzende Lambsdorff vorschlägt, sich wieder für Koalitionen mit der SPD zu öffnen, dann erinnert das alle sofort an sein legendäres Papier von 1982. Es leitete damals die Wende der FDP ein, von Schmidt zu Kohl, und verdammte die SPD zu 16 Jahren in der Opposition.
Findet jetzt also eine ähnliche Neuformation der Lager statt? Jedenfalls wird Lambsdorff eifrig von Möllemann und Kubicki unterstützt, den beiden Wahlkämpfern in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Auch sie wollen eine „strategische Neurorientierung“ und eine Öffnung zur SPD.
Auch wenn sich nicht wenige über ein dauerhaftes Oppositionsschicksal der CDU freuen würden: Es ist nicht wahrscheinlicher geworden, nur weil einige FDP-Politiker plötzlich rege Interviews geben. Die FDP artikuliert keine historische Wende, sondern das pragmatische Eigeninteresse. Und das hat auch schon vor den jüngsten Stellungnahmen Koalitionen mit der SPD zugelassen. Etwa in Rheinland-Pfalz, wo FDP und SPD seit 1991 gedeihlich zusammen regieren. Zudem führen die Grünen vor, in welch existenzbedrohende Falle jede kleine Partei gerät, die sich nur einen Koalitionspartner vorstellen kann. Das macht erpressbar bis zur Bedingungslosigkeit.
Nichts Neues also: Die FDP hat nur die Wahlumfragen interpretiert und erkannt, dass es in Schleswig-Holstein auf keinen Fall zu einer Koalition mit der CDU reichen dürfte, die dort auf momentan 33 Prozent abgestürzt ist. FDP-Wahlkämpfer Kubicki selbst sieht das natürlich anders: Nachdem er sich allzu verfrüht auf eine Koalition mit der CDU festgelegt hat, beteuert er nun, dass seine vorgeschlagene Öffnung zur SPD erst für die nächste Bundestagswahl gelten solle. Ein bisschen Glaubwürdigkeit muss ja auch sein. Ulrike Herrmann
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