: Die Eiserne Lady im nordischen Säure–Bad
■ Frau Thatchers stürmischer Staatsbesuch in Norwegen / Kritik an der britischen Umwelt– und Südafrikapolitik / Riots zum Staatsbankett / Die norwegische Polizei setzte neben Tränengas auch Pferde und Hunde gegen Demonstranten ein
Aus London Rolf Paasch
„Das möchte ich um nichts in der Welt verpassen.“ Norwegens Außenminister Knut Frydenlund hatte wie viele seiner vier Millionen Landsleute schon lange auf das Treffen zwischen der britischen Premierministerin Margaret Thatcher und Gro Harlem Brundtland, der ebenso energischen Lady an der Spitze der norwegischen Regierung, gewartet. Als es denn am Donnerstag endlich so weit war, muß Frau Thatcher schon auf dem Flughafen von Tromsö, nur unweit des Polarkreises, Böses geschwant haben. Im herbstlichen Dämmerlicht konnte sie nämlich nicht nur ihre Gastgeberin ausmachen, sondern auch die von heimischen Demonstrationen wohlvertraute Flagge des „African National Congress“. Norwegen ist das europäische Land, das den wohl überzeugendsten Wirtschaftsboykott gegen das Apartheid–Regime in Pretoria praktiziert. Die Eiserne Lady versuchte es mit britischer Höflichkeit. Sie sei hier an den U– Boot–Stützpunkt im hohen Norden gekommen, um die Entschlossenheit der NATO zu demonstrieren, ihre Nordflanke zu verteidigen. Gegen wen, werden sich viele Bewohner der Finmark, Norwegens nördlichster Provinz, gefragt haben. Schließlich waren es die Sowjets, die Norwegen von den Nazis befreiten und sich danach wieder anstandslos zurückzogen. Beim Mittagessen setzte dann Frau Brundtland gleich zum kritischen Rundumschlag gegen die Außen– sowie Innenpolitik ihres Gastes an. Bei der Bekämpfung des Sauren Regens (der in Großbritannien produziert wird und sich über den skandinavischen Seen und Wäldern abregnet) unternehme die britische Regierung nach wie vor zu wenig. Frau Thatchers passend zum Staatsbesuch verkündetes, mickriges 600 Millionen–Programm zum Bau von drei Filteranlagen hatte offensichtlich nicht die erhoffte Wirkung hinterlassen. Und wie gesagt: Südafrika. Zuguterletzt, zum Nachtisch sozusagen, ließ die „resolute Frau“ dann noch ein Seitenhieb auf die britische Sozialpolitik folgen. „Wir in Norwegen“, so Frau Brundtland, „sorgen dafür, daß Arbeit und Sozialleistungen für alle unsere Bürger da sind“. Spätestens an dieser Stelle konnte sich die britische Regierungchefin den Spitznamen ihrer Gastgeberin erklären: Kjeftsmella, was soviel heißt wie „die Scharfzüngige“. Die politische Temperatur des Besuches war also schon erheblich angestiegen, ehe überhaupt der Hauptstreitpunkt zwischen beiden Ländern auf der Tagesordnung stand: die Ölpolitik, bzw. Frau Thatchers Weigerung eine solche zu betreiben. Nachdem Norwegen vor zwei Tagen eine 10%ige Reduktion seines Öl–Outputs für November und Dezember verkündet hatte, hatten sich schon die Energieminister beider Länder in London nicht darauf einigen können, was mit den beiden Ölfeldern geschehen soll, die in der Nordsee gemeinsam ausgebeutet werden. Großbritannien ist der einzige Ölproduzent, der das schwarze Gold weiterhin herausschleudert, als habe sein ökonomischer Motor schon lange einen Kolbenfresser. Alle Versuche der OPEC, die in den Keller gefallenen Ölpreise durch verringerte Förderquoten wieder aufzufangen, sind in der Thatcherschen Hexenküche des freien Wettbewerbs bisher auf taube Ohren gestoßen. Waren es bis dahin noch verbale Attacken, die auf die unbeliebte Staatsbesucherin niederhagelten, so sollte es am Abend noch dicker kommen. Rund 2.000 Demonstranten hatten sich im Stadtzentrum von Oslo zur größten Demonstration seit Jahren zusammengefunden. Umweltschützer, ein vom norwegischen Nordirland–Komitee eingeladener Sprecher von „Sinn Fein“, ein Vertreter des ANC und andere kritisierten die Thatcher– Regierung in so ziemlich allen Punkten. Als die Demonstranten anschließend vor den Schauplatz des abendlichen Staatsbanquetts zogen und einige von ihnen versuchten, die Tore zu Schloß Akershus zu stürmen, rückte die norwegische Polizei zu Pferd und zu Hunde ein und setzte bei der Vertreibung der Demonstranten Tränengas ein. Es war, als hätte Frau Thatcher nicht nur ihren Sauren Regen, sondern auch noch ihre „Riots“ mit im Handgepäck gehabt. Maggie Thatcher war ob der Ausschreitungen wieder ganz in ihrem Element: „Aber ich möchte mich bei den Sicherheitskräften für ihre ausgezeichnete Arbeit bedanken.“
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