Die Eckpunkte der geplanten Rentenreform: Alleinerziehende profitieren
Ursula von der Leyen legt einen Entwurf zur „Zuschussrente“ vor, die etwa Müttern hilft, die lange Teilzeit arbeiteten. Sie ist Teil eines Rentenreformpakets.
BERLIN taz | Die Pläne werden konkret: Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) legte am Donnerstag den Referentenentwurf für die „Zuschussrente“ für Geringverdiener vor.
Auch ein Eckpunktepapier zur verpflichtenden Altersvorsorge für Selbständige aus dem Hause von der Leyens existiert bereits. Frauen, die Kinder erzogen und Teilzeit gearbeitet haben, dürften „am Ende ihres Lebens nicht in die Grundsicherung fallen wie diejenigen, die nichts getan haben“, sagte von der Leyen.
Die schwarz-gelbe Regierung hatte bereits 2009 in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen, eine „Regierungskommission Altersarmut“ einzusetzen. Letztlich wurde daraus aber ein Alleingang mit Vorschlägen aus dem Hause der Ministerin. „Die Finanzierung steht“, sagte von der Leyen. Dies sei mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) abgesprochen.
Die „Zuschussrente“ soll bis zum Jahr 2030 rund 3,4 Milliarden Euro extra kosten. Alle Reformen zusammen schlagen mit 4,3 Milliarden Euro mehr zu Buche. Gegenfinanziert werden soll das Ganze durch Einsparungen in der Grundsicherung. Zudem muss die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) künftig weniger Mittel für Bergarbeiterrenten aufbringen.
Doch auch der Beitragssatz zur Rentenversicherung soll in den nächsten Jahren um 0,1 Prozentpunkte weniger sinken als geplant, nämlich von heute 19,6 auf 19,2 statt auf 19,1 Prozent. Durch die obligatorische Altersvorsorge für Selbständige will von der Leyen Geld in der staatlichen Grundsicherung einsparen, da Selbständige dann am Ende ihres Lebens genug eigene Altersvorsorge haben.
Nach einer Studie des Mea-Instituts in Mannheim haben 10 Prozent der Haushalte mit einem selbständigen Haupteinkommensbezieher keine Altersvorsorge, die ein Ruhegeld oberhalb der Grundsicherung garantiert.
Vielfältige Kritik
Den Sozialverbänden, Gewerkschaften und Oppositionsparteien gehen die Reformen der „Zuschussrente“ nicht weit genug. „Nur eine kleine Gruppe wird privilegiert und wird die Zuschussrente erhalten“, sagt Wolfgang Strengmann-Kuhn. Der Rentenexperte der Grünen-Bundestagsfraktion kritisiert, dass vor allem Menschen mit häufig unterbrochenen Erwerbsbiografien oder die, die kein Geld für private Vorsorge haben, keinen Anspruch auf die neue Rentenform haben.
Der Präsident des Bundesverbandes der Freien Berufe (BFB), Rolf Koschorrek, erklärte, dass die verpflichtende Altersvorsorge das „geringere Übel“ sei gegenüber einer Pflichtversicherung der Selbständigen in der gesetzlichen Rentenkasse. Eine solche Pflichtversicherung war auch im Gespräch gewesen. Auch innerhalb der schwarz-gelben Koalition gibt es Kritik. Die FDP vermisst wie die Arbeitgeber eine klare Finanzierung der Zuschussrente allein aus Steuermitteln.
Aufstocken für Geringverdiener
Wer lange zum niedrigen Lohn oder in Teilzeit geackert hat, soll mit der Zuschussrente ein Ruhestandsgeld bekommen, das höher ist als das Niveau von Hartz IV. Zuvor muss sie oder er 35 Jahre lang (für eine Übergangszeit: 30 Jahre) in die Sozialkassen eingezahlt haben, für ein Kind können bis zu 10 Beitragsjahre gezählt werden.
Beispiel: Eine heute 40-Jährige arbeitet schon seit 8 Jahren, verdient aber immer nur etwa 70 Prozent des Durchschnittsverdienstes in der Bundesrepublik, derzeit also 1.800 Euro brutto im Monat. Verdiente sie bis zum Ruhestand stets so wenig, bekäme sie mit 67 Jahren nach heutigem Recht eine Rente in Höhe der Grundsicherung. Mit der Zuschussrente wird ihr Ruhegeld bis auf 850 Euro brutto (nach derzeitiger Kaufkraft) aufgestockt.
Zweites Beispiel: Eine Alleinerziehende, die über 32 Jahre lang nur die Hälfte des Durchschnittsverdienstes erarbeitete, derzeit 1.280 Euro brutto, und zwischendurch 3 Jahre aussetzte wegen des Kindes, würde mit Zuschussrente ebenfalls auf 850 Euro brutto kommen. Die Niedrigverdiener müssen all die Jahre privat zusätzlich fürs Alter vorsorgen, zumindest 5 Euro im Monat für einen Riester-Vertrag einzahlen. Später werden auch alles zusätzliche Einkommen – etwa aus Betriebsrenten – und das Einkommen eines Ehepartners auf die Zuschussrente angerechnet. Das Bundesarbeitsministerium rechnet für 2030 mit 1,4 Millionen „ZuschussrentnerInnen“.
Selbständige müssen sparen
Die „obligatorische Altersvorsorge“ für Solo-Selbständige kommt. Nicht betroffen ist, wer nachweisen kann, dass er oder sie heute schon genug Altersvorsorge betreibt, damit später ein Ruhegeld herauskommt, das höher liegt als die staatliche Grundsicherung (derzeit etwa 660 Euro). Nicht betroffen sind auch Mitglieder der Künstlersozialkasse.
Alle anderen müssen von ihrem sauer Verdienten monatlich Beiträge abzweigen. Wie oder wo genau sie ihr Geld sparen, bleibt ihnen überlassen. Das Ersparte darf nur nicht so angelegt werden, dass die Summe übertragbar oder kapitalisierbar ist, denn am Ende soll eine monatliche Rente herauskommen.
Gefordert wird nur eine Basisabsicherung, mit der die Selbständigen rein rechnerisch nach 45 Jahren auf eine monatliche Rente oberhalb des Niveaus der Grundsicherung kommen. Im Bundesarbeitsministerium schätzt man, dass die Versicherten monatlich zwischen 250 und 300 Euro für diese Altersvorsorge berappen müssen. Hinzukommen noch 100 Euro Pflichtbeitrag für eine Erwerbsminderungsrente.
Nicht der Vorsorgepflicht sollen Selbständige unterliegen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits das 50. Lebensjahr vollendet haben. Auch für die 30- bis 50-Jährigen gelten entschärfte Bedingungen. Die Jüngeren trifft es aber voll – es sei denn, sie sind Gründer, denn in der Anfangszeit sind die Anforderungen an eine Vorsorge nicht so streng. Wie man bei chronischen Schlechtverdienern verfahren will, ist laut Ministerium noch nicht geklärt.
Hilfe für Frührentner
Menschen, die krank sind und vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden, erhalten eine Erwerbsminderungsrente – vorausgesetzt, sie haben in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt. Wenn jemand mit 45 Jahren in den Ruhestand geht, wird seine Rente bisher so berechnet, als hätte er bis 60 gearbeitet.
Rund 1,6 Millionen Personen bezogen Ende 2010 eine solche Rente. Im Schnitt hatten Neuzugänge dabei einen Anspruch auf 600 Euro Rente monatlich. Die meisten von ihnen bekommen also zusätzliches Geld aus der Grundsicherung.
Bundesarbeitsministerin von der Leyen will nun die Berechnungszeiten dieser Rentenform anpassen. Künftig soll sich die Rente so erhöhen, als hätten die Menschen bis zum 62. Lebensjahr gearbeitet. Wenn sie schon in den letzten 4 Berufsjahren nur eingeschränkt arbeiten konnten und weniger verdienten, sollen diese 4 Jahre zur Berechnung nicht herangezogen werden. Ersetzt werden sie durch die Jahre, in denen besser verdient wurde.
Der Haken: Die neue Berechnungszeit von 62 Jahren gilt nicht sofort, sondern in Monatsschritten: Ab 2013 erhöht sich die monatliche Rente pro Monat nur um 2 bis 3 Euro. Erst 2029 wäre die Grenze von 62 Jahren erreicht. Das bringt dann rund 45 Euro mehr Rente.
Arbeitgeber zahlen freiwillig
Künftig können Arbeitgeber ihre Beschäftigten unterstützen, indem sie freiwillig mehr Geld an die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) abführen. Diese Zusatzbeiträge erhöhen dann die Altersrente.
Arbeitsministerin von der Leyen hofft, dass die Tarifparteien so mehr Spielraum bekommen, um Übergänge vom Beruf in den Ruhestand zu gestalten. Wenn ein Arbeitgeber freiwillig mehr in die Rentenkasse einzahlt, könnte der Arbeitnehmer früher die Arbeitszeit reduzieren, ohne später zu große Abschläge in Kauf nehmen zu müssen. Vorteil für die Betriebe: Sie können sich so Fachkräfte erhalten oder gewinnen. Der Arbeitnehmer kann mit den Zusatzbeiträgen aber auch Jahre ausgleichen, in denen er wenig verdient hat.
Ein Arbeitgeber könnte die Rentenversicherungsbeiträge für einen Verdienst von 1.500 Euro beispielsweise so aufstocken, dass ein zusätzliches fiktives Einkommen von 750 Euro herauskäme. Die Höhe der freiwilligen Zusatzbeiträge wird vom Gesetzgeber begrenzt.
Wie viele Arbeitgeber werden freiwillig mehr zahlen? Reichen die Zahlungen aus, Zeiten mit geringem Verdienst auszugleichen? Bereits 2010 gingen fast die Hälfte aller Neurentner mit Abschlägen von durchschnittlich 113 Euro in den Ruhestand. Die Altersrente für Menschen, die 35 Jahre in die GRV eingezahlt haben und 2010 aus dem Beruf ausschieden, lag im Schnitt bei 919 Euro monatlich.
Mehr Geld dazuverdienen
Ab 2013 können Ältere mehr zu ihrer vollen Rente hinzuverdienen, ohne dass ihre Altersbezüge gekürzt werden. Bisher sind nur 400 Euro Zuverdienst möglich, will man seine volle Rente behalten. Das Arbeitsministerium will mit dieser Kombirente erreichen, dass Teilzeitarbeit und Rente flexibler miteinander kombiniert werden können.
Anspruch darauf haben jedoch nur Personen, die mindestens 63 Jahre alt sind und 35 Jahre in der gesetzlichen Rentenkasse versichert waren. Letztlich gilt das für den Korridor zwischen dem 63. und dem 67. Lebensjahr. Denn die Regelaltersgrenze wird ab diesem Jahr schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Nach Erreichen der Regelaltersgrenze kann man übrigens unbegrenzt dazuverdienen.
Künftig soll ein vorzeitiger Ruheständler so viel Geld dazuverdienen dürfen, dass Rente plus Zuverdienst seinem letzten Gehalt entsprechen. Herangezogen wird dafür das höchste Gehalt aus den letzten 15 Jahren.
Hat ein Arbeitnehmer immer den bundesweiten Bruttodurchschnittslohn von rund 2.700 Euro erhalten und geht er mit 63 Jahren in Rente, erhält er im Monat 1.198 Euro Rente. Er dürfte künftig 1.505 Euro statt nur 400 hinzuverdienen und seine volle Rente behalten.
Für Menschen, die auch im Alter noch fit sind und Zugriff haben auf einen hohen Zuverdienst, lohnt sich die neue Regelung. Schwierig wird es jedoch, wenn Beschäftigte früher aus dem regelmäßigen Job aussteigen, weil sie denken, sie können noch ein paar Jahre ab und zu lukrativ hinzuverdienen. Denn in der Phase der Kombirente fallen die Gesamteinkünfte zwar hoch aus. Wenn man aber nur noch die Altersrente bezieht, könnte mancher erschrecken, wie wenig Geld übrig bleibt: Denn hört man mit 63 Jahren auf, werden bis ans Lebensende eben hohe Abschläge auf die Vollrente fällig.
Kritik übt die Opposition an der Berechnungsart. Gerade die, die eine kleine Rente beziehen, weil sie gering verdient haben, können auch künftig nur wenig hinzuverdienen, ohne dass ihre Rente gekürzt wird.
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