Die EU und der „Brexit“: Tusk brät britische Extrawurst
Der Vorschlag der EU-Kommission zur Vermeidung eines „Brexit“ liegt auf dem Tisch. Cameron sieht Fortschritte. Entscheiden wird der nächste EU-Gipfel.
Dies geht aus den Vorschlägen hervor, die EU-Ratspräsident Donald Tusk am Dienstag in Brüssel vorgelegt hat. So soll London das Recht erhalten, Arbeitnehmern aus anderen EU-Ländern künftig Sozialleistungen bis zu vier Jahre zu verweigern. Die „Notbremse“ zur Abschottung des britischen Arbeitsmarktes hatte Premier David Cameron gefordert, Tusk stimmte zu. Bislang sollen alle EU-Staaten einer solchen Notbremse zustimmen müssen, um sie in Kraft zu setzen.
Ferner muss das Vereinigte Königreich sich nicht enger an die EU binden. Tusk will Cameron eine Ausnahme von der „immer engeren Union“ gewähren, die im Vertrag von Lissabon verankert ist. Beim Euro und beim Schengen-System zur Reisefreiheit macht London schon bisher nicht mit. Künftig dürften weitere „Opt-Outs“ hinzukommen.
Doch damit ist die Liste der britischen Extrawürste nicht zu Ende. So soll künftig schon eine Gruppe von 55 Prozent der Mitgliedstaaten ausreichen, um EU-Gesetze zu kassieren oder Änderungen zu verlangen. Viele Briten sind der Meinung, dass ihr Land in der Gesetzgebung zu viele Kompetenzen an Brüssel abgegeben habe.
Erhört wurde Cameron auch beim Thema Euro-Währungsunion. So sagte Tusk zu, dass britische Personen und Firmen nicht diskriminiert werden dürfen, weil sie nicht zur Euro-Zone gehören. Großbritannien erhalte aber kein Veto-Recht bei Entscheidungen der Euro-Staaten, machte Tusk in seinem Brief an die anderen EU-Regierungen deutlich.
Das Schreiben soll nun als Grundlage für einen Beschluss beim nächsten EU-Gipfel am 18. und 19. Februar dienen. Dort steht die britische Wunschliste ganz oben auf der Tagesordnung – noch vor der Flüchtlingskrise. Dabei gehört Großbritannien zu den Ländern, die sich einer gemeinsamen Lösung der Flüchtlingskrise verweigern.
Zur Begründung heißt es in Brüssel, dass der Brexit – also ein britischer Austritt – derzeit die größte Gefahr für die EU sei. Er könnte eine Kettenreaktion auslösen, Cameron dürfe das EU-Referendum deshalb auf keinen Fall verlieren. Der britische Premier hatte die Volksabstimmung bei seiner Wiederwahl vor einem Jahr versprochen; sie könnte schon im Juni stattfinden. Voraussetzung ist allerdings, dass alle 28 Mitgliedsstaaten beim Februar-Gipfel den Tusk-Vorschlägen zustimmen.
Doch sind die Vorschläge aus Brüssel wirklich geeignet, eine Niederlage bei einem Referendum auf der Insel zu verhindern? Cameron scheint dies zu glauben. Man habe „echte Fortschritte“ gemacht, es bleibe aber noch einiges zu tun, teilte er auf Twitter mit. Sein größter Widersacher, Nigel Farage von der europafeindlichen Ukip widersprach: Die Vorschläge seien „erbärmlich“ ,teilte er ebenfalls auf Twitter mit. Statt einer Notbremse fordern die EU-Gegner einen Platz auf dem Fahrersitz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten