piwik no script img

Die Dritten im Bunde

Das Rad-Team Gerolsteiner ist endlich am Ziel seiner Träume und wird wie Telekom und Coast erstklassig. Für die entsprechenden sportlichen Erfolge soll der Italiener Davide Rebellin sorgen

von JÖRG FEYER

Hans-Michael Holczer hätte allen Grund zu klagen. Verfolgt von Pech und Pannen, schleppte sich sein Team Gerolsteiner bisher durch die Radsportsaison 2001. Ob Torsten Schmidt, Michael Rich oder Tobias Steinhauser – kaum ein Leistungsträger, der nicht verletzt oder krank gewesen wäre und pausieren musste. Kurz vor dem Weltcuprennen in Hamburg erwischte es dann auch noch den fiebernden Saulius Ruskys, dem, so Holczer, „so ein Rennen auf den Leib geschneidert gewesen wäre“.

Dass der Team-Manager am Vorabend der HEW-Cyclassics dennoch guter Dinge war, konnte nicht wirklich verwundern. Denn zum einen war da die Gewissheit, in der nächsten Saison endlich in der GS1 genannten Premier League des Metiers mitfahren zu können, unter anderem auch deshalb, weil der Mineralwasserbrunnen aus der Eifel den Sponsorenvertrag nicht nur vorzeitig bis 2003 verlängert, sondern auch gleich noch ein paar der dafür nötigen Millionen obendrauf gepackt hat. Zum anderen gab es eine süße Vorfreude, gespeist aus aussichtsreichen Verhandlungen mit einem internationalen Topprofi der Szene.

Letzte Woche durfte dann auch diese Katze endlich aus dem Sack gelassen werden: Sie kommt aus Italien und gehört zu den konstanten Größen im Rennradsport. Davide Rebellin, 30, belegt Spitzenplätze sowohl in der Weltrangliste als auch im Weltcup und ist auch für Siege in mittelschweren Rundfahrten wie zuletzt Tirreno–Adriatico gut. Wertvolle Helfer wie Gianni Faresin, Daniele Contrini und Ellis Rastelli wird Rebellin gleich mit von seiner aktuellen Equipe Liquigas Pata zu Gerolsteiner bringen.

Lange hatte die Mannschaft des Sprudelherstellers, die bei der gestern gestarteten Hessen-Rundfahrt mit Tobias Steinhauser den Vorjahressieger stellt, ja ohnehin als erster Anwärter auf den zweiten deutschen GS1-Platz nach Team Telekom gegolten – bis vor Jahresfrist das Essener Team Coast, gefüttert mit den Millionen des Young Fashion-Fabrikanten Günter Dahms, vorgeprescht war und Gerolsteiner mit spektakulären Verpflichtungen (Alex Zülle, Fernando Escartin) überflügelte. Internationale Akzeptanz müsse man sich „erwerben“. „Man kann sie sich auch erkaufen. Aber das bringt sicher mehr Probleme mit sich“, sagt Holczer mit Blick auf die Defizite bei Coast im ersten GS1-Jahr. Bei Gerolsteiner hingegen sei „die Struktur mit dem Sponsor gewachsen. Wir haben bisher gut gearbeitet und bewiesen, dass es sich lohnt, weiter zu investieren.“ Zudem habe jetzt auch der Sponsor erkannt: „Wenn wir jetzt nicht den Sprung in die GS1 schaffen, wird’s verdammt schwer.“

Denn der Radsport wird im nächsten Jahr neu klassifiziert. Statt wie bisher 22 wird es dann 30 GS1-Mannschaften geben. Der so genannte Top-Ten-Club genießt dann Startrecht bei allen Rundfahrten, die 18 Besten des Jahres 2001 sind automatisch für alle Weltcup-Rennen qualifiziert. Dahinter dürfte es ein munteres Hauen und Stechen um die besten Startplätze geben. Holczers Prognose dazu: „Es ist noch vertrackter geworden.“ Und es steht zu befürchten, „dass sich die Situation für die Mannschaften ab Platz 31 nochmal dramatisch verschlechtert“.

Schon in diesem Jahr sei die Lage für eine GS2-Sportgruppe wie Gerolsteiner „katastrophal“ gewesen, „und das mit einem Georg Totschnig, der Sechster bei der Tour de Suisse werden kann“. Doch schon die Einladung dahin, ebenso wie zum Frühjahrsklassiker Paris–Nizza, verdankte das Team allein den guten Kontakten seines sportlichen Leiters, Exprofi Rolf Gölz. Langfristige Planung ist so allerdings kaum möglich. „Da erfahre ich dann in Malaysia“, beschreibt Hans-Michael Holczer das GS2-Dilemma, „man könne mir in 14 Tagen sagen, ob wir in drei Wochen Paris–Nizza fahren.“ Das Vabanquespiel mit Prestigerennen, die natürlich dem Geldgeber gefallen, „könnte eine Ursache für unsere Verletztenmisere sein, weil wir zu wenig fundiert vorbereitet starten mussten“.

Jetzt also GS1, worüber Holczer sagt: „Es bringt nichts, nur GS1 zu werden. Man muss die großen Namen haben, um große Rennen fahren zu können.“ Was die Rede wieder ganz von selbst auf Davide Rebellin bringt. Denn ob nun erkauft oder erworben: Auf der Suche nach Spitzenfahrern muss sich jede deutsche Mannschaft im Ausland umschauen. Vergeblich buhlte auch Gerolsteiner um die Gunst eines Jens Voigt (Credit Agricole); die anderen Topprofis sind von Ullrich bis Klöden alle bei Telekom gebunden. „Wir haben noch nicht die Reputation, um mit denen um deutsche Topfahrer zu konkurrieren. Aber es ist einfacher geworden im Ausland, weil sich das Team in den letzten zwei Jahren etabliert hat. Man sieht, es wird kontinuierlich und seriös gearbeitet“, sagt Holczer. Genau das lässt ihn auch für die Zukunft hoffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen