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Die Djangos der Kehrwoche

■ Neu im Kino: „Die Blume der Hausfrau“ von Dominik Wessely

Sie stolzieren über die Parkplätze wie eine Gang von Westernhelden. Einer pfeift das Thema von „Zwei glorreiche Halunken“. Dabei sind sie nur adrette Staubsaugervertreter, die für die Firma Vorwerk täglich in den Kampf gegen Schmutz und Sparsamkeit von Frau Saubermann ziehen. Der Dokumentarfilmer Dominik Wessely begleitete die fünf Klinkenputzer in der Vorweihnachtszeit bei ihren Großangriffen auf die Geldbörsen der Hausfrauen.

Die meiste Zeit zeigt er in „Die Blume der Hausfrau“ einfach nur ihre Verkaufsgespräche. Dabei umgarnen die fünf mit bewundernswertem Geschick die Damen des Hauses – und versuchen, ihr „das Polsterreinigungsgerät Kobold PB411“ oder zumindest einen neuen Satz Papiertüten und „Geruchs-Isolatoren“ anzudrehen. Sonnyboy Steffen oder der makellos gestylte Massimo laufen dabei zu wahren rhetorischen und psychologischen Großleistungen – und verwandeln sich zu den Troubadouren der Reihenhäuser, wenn sie etwa die „Softdüse“ als die „Blume der Hausfrau“ besingen. Und dabei extrem sinnlich mit dieser „stufenlos von 1 auf 10 Zentimeter verstellbaren Rundbürste“ hantieren.

Tatsächlich beginnt jedesmal, wenn sich eine Haustür für sie öffnet, eine Verführung. Und dabei ist es egal, ob ein griechischer Hausmann dem Charme von Massimo erliegt und einen „Kobold“ kauft – oder ob eine alleinerziehende Mutter fast schon mit Tränen in den Augen beteuert, es läge „wirklich nur am Finanziellen“, wenn sie den Ratenvertrag für den wunderschönen Staubsauger dann doch nicht unterschreibt.

Jedesmal ist offensichtlich, dass die potentiellen Kunden gar nicht brauchen, was ihnen da angepriesen wird. „Ich kauf nix“ ist wohl der am meisten wiederholte Satz des Films. Aber dann wird doch wieder ein „Kobold“ für satte 1.256 Mark an die Frau gebracht. Steffen und Massimo sind wirklich begnadete Verkäufer – und es ist faszinierend, ihnen bei ihrer Arbeit über die Schultern zu schauen.

Manöverkritik findet in Cafés, auf Schulungveranstaltungen und auf Parkplätzen statt – und auch hier ist Wesselys Kamera so selbstverständlich mit dabei, dass die Vertreter sie scheinbar schon ganz vergessen haben. Da zeigt Steffen, dass er der Boss der Gang ist – weil er den anderen Halb-Italienern rassistische Witze über Italiener erzählt, über die sie gequält lachen müssen. Da werden genau die Fehler eines nicht so erfolgreichen Verkäufers analysiert – und da wird natürlich auch über die Kundschaft gelästert.

Ein wenig unheimlich ist diese Einsicht in eine blitzblanke Republik aber schon: Die fünf und ihre Kunden bekämpfen den Staub mit solcher Inbrunst und teurer High-Tech. Sie begehen die „Kehrwoche“ mit fast religiösem Eifer. Ganz unspektakulär bietet Wessely hier einen genauen und oft urkomischen Blick in den normalen deutschen Alltag. Und all das in einem so schweren Schwäbisch, dass Untertitel hierzulande sehr hilfreich gewesen wären. Wilfried Hippen

Im Kino 46 tgl. bis Dienstag um 18.30 Uhr; Samstag um 20.30 Uhr

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