Die Deutsche Welle zieht vor Gericht: Unter Kontrolle
Die türkische Medienaufsicht RTÜK hatte angekündigt, dass Auslandssender bald Lizenzen beantragen müssen. Die Deutsche Welle will dagegen klagen.
Zunächst hatte die Deutsche Welle sich zurückhaltend geäußert und versucht, hinter den Kulissen die Forderung abzuwehren. Offenbar ohne Erfolg. An diesem Montag hatte RTÜK angekündigt, wenn die drei Auslandssender nicht innerhalb von 72 Stunden, also bis Mittwoch 24 Uhr, die Lizenzen beantragen würden, könnte man ihre Online-Auftritte abschalten. Dennoch will sich die DW der Forderung nicht beugen, sondern dagegen klagen.
In deutlichen Worten sagte Intendant Peter Limbourg, was es mit dem Vorstoß von RTÜK auf sich hat. „Diese Maßnahme“, so Limbourg, „bezieht sich eben nicht auf formale Aspekte der Verbreitung von Programmen, sondern auf die journalistischen Inhalte selbst. Sie gibt den türkischen Behörden die Möglichkeit, aufgrund einzelner, kritischer Berichte das gesamte Angebot zu sperren, wenn diese Berichte nicht gelöscht werden. Damit würde die Möglichkeit zur Zensur eröffnet. Wir werden dagegen Widerspruch einlegen und vor türkischen Gerichten den Rechtsweg beschreiten“.
Kritische Berichterstattung in Gefahr
Obwohl die Forderung nach der Lizenzierung der Programme kurz nach dem Verbot der Welle in Russland erhoben wurde, besteht kein inhaltlicher Zusammenhang zwischen den Vorgängen. Während Russland damit auf das Sendeverbot des russischen Staatssenders RT in Deutschland reagierte, geht es den türkischen Behörden um eine generelle Einschränkung der freien Berichterstattung. Nachdem sämtliche inländischen TV- und Rundfunksender sowie Zeitungen und Webportale weitgehend unter die Kontrolle der Regierung gebracht wurden, geht es nun gegen die Auslandssender.
Deshalb betrifft die Aufforderung zur Lizensierung und damit die Unterstellung unter die Medienbehörde auch nicht nur die DW, sondern genauso Voice of America und Euronews. Keiner der drei Sender will der Forderung Folge leisten, weil sie sonst genauso den Restriktionen und Zensurmaßnahmen unterliegen würden, wie die türkischen Medien auch.
Gerade die Deutsche Welle hatte mit türkischen Kollegen vor Ort in der letzten Zeit eine auffallend engagierte und kritische Berichterstattung produziert, die der türkischen Regierung offenbar zunehmend missfällt. Die jetzt angekündigte Klage dürfte aber lediglich einen Aufschub bringen. Um die Arbeit der DW in der Türkei aufrechtzuerhalten, würde es wohl massiven politischen Drucks aus Berlin bedürfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos