: Die Deichbauer
Zum faktischen Einreisestopp für RumänInnen ■ K O M M E N T A R
Die Wagenburg steht - wir gratulieren auch zu diesem deutsch -deutschen Joint-venture. Für DDR-Innenminister und Schwarzwurzel Peter-Michael Diestel war von Anfang an klar, wie die Probleme bei der Versorgung rumänischer Flüchtlinge und Reisender am einfachsten zu lösen ist: indem man faktisch die Grenze dicht macht. Der Westberliner Innensenator wird seinen Gefallen an Diestel haben, hat er ihn doch tags zuvor angemahnt, etwas gegen den „anhaltenden Zustrom“ zu unternehmen. Das wirkt im Zeitalter des freien Reiseverkehrs und des „europäischen Hauses“ zwar anachronistisch. Aber vielleicht waren mit der neuen blockübergreifenden Freizügigkeit die Rumänen gar nicht gemeint. Schon gar nicht die armen Rumänen und schon gar nicht die Roma. Wenn Hunderttausende von DDR-BürgerInnen ihrem durchaus verständlichen Drang nach besseren Lebensbedingungen Ausdruck verleihen und übersiedeln, dann läuft das im Fernsehen unter dem Titel „Schrei nach Freiheit“. Anders bei einigen tausend Rumänen.
Es behauptet niemand, daß die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen einfach ist - schon gar nicht in Ost -Berlin, wo jede karitative Infrastruktur fehlt. Aber statt halbwegs sachlich darüber zu diskutieren und zu überlegen, wie Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Flüchtlingsorganisationen und die BürgerInnen selbst zur Unterstützung herangezogen werden können, wird gefährlich dummgeschwätzt und Hysterie erzeugt. Der DDR-Innenminister entblödet sich nicht, von „Völkerwanderung“ zu sprechen - im rot-grünen Senat gibt man sich rhetorisch etwas geschickter und redet von „Zustrom“. Das alte, miese Spiel: Wer die Flut an die Wand malt, kann sich nachher als Deichbauer präsentieren.
Andrea Böhm
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