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Die Couragierte

Anna Diamantopoulou, EU-Kommissarin, streitet für die Gleichstellung der Frau und gegen Diskriminierung und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Sie ist Romano Prodis „Mädchen“ – und ähnlich wie einst Kohls Mädchen Angela Merkel eher für die menschliche Seite der Politik zuständig: Als Kommissarin für Beschäftigung und Soziales will Anna Diamantopoulou dafür sorgen, dass die Europäische Union nicht nur eine florierende Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch eine Wertegemeinschaft wird. Zwei Vorzüge der sanft auftretenden Griechin müssen Prodi wie ein Geschenk des Himmels erschienen sein: Mit ihren 41 Jahren gibt sie dem Brüsseler Club einen jugendlichen Touch. Und sie hebt die Frauenquote, die mit fünf zu fünfzehn immer noch peinlich genug aussieht.

Heute nun will Diamantopoulou mit der Gleichberechtigung einen Schritt vorankommen. Sie wird die Neufassung der 25 Jahre alten „EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen in der Arbeitswelt“ von der Kommission absegnen lassen. Die Änderungen sollen mehr Rechtssicherheit schaffen, denn der Europäische Gerichtshof hat in der Vergangenheit über vierzigmal in Zweifelsfällen entscheiden müssen, zum Beispiel in der Sache Tanja Kreil gegen Bundeswehr, wo eine Elektrotechnikerin auf Anstellung klagte. Dabei ging es um die Frage, von welchen Tätigkeiten Frauen aufgrund psychischer oder physischer Besonderheiten ausgeschlossen werden dürfen.

Auch sexuelle Belästigung soll künftig als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gelten und verboten sein, „wenn die Zurückweisung eines solchen Verhaltens als Grundlage für eine Entscheidung herangezogen wird“. Verliert eine Frau ihren Job, weil sie sich über den grapschenden Chef beschwert hat, kann sie in Zukunft ihre Rechte einklagen. Theoretisch. Tatsächlich wird in den Erläuterungen zur neuen Richtlinie eingeräumt, dass sexuelle Belästigung schwer objektiv zu erfassen und zu quantifizieren sei. In einer begleitenden Studie, die Diamantopoulou in Auftrag gab, wird geschätzt, dass 30 bis 50 Prozent der berufstätigen Frauen Opfer sexueller Belästigung am Arbeitsplatz werden.

Wie damit am besten fertig zu werden ist, darüber sind die Frauen in den Mitgliedsländern unterschiedlicher Ansicht. Während 80 Prozent der betroffenen britischen Frauen angaben, eine offizielle Beschwerde habe ihre Lage verbessert, haben Schwedinnen und Deutsche schlechte Erfahrungen mit Beschwerdebriefen gemacht. Sie bauen auf offene Gegenwehr, wollen den Kollegen vor Zeugen zur Rede stellen. Dazu aber braucht es Zivilcourage, und die stärkt sich nicht durch neue Richtlinien.

DANIELA WEINGÄRTNER

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