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Die Bundeskanzlerin in TschechienWie Merkel ihren Kritikern begegnete

Sechs Demos wandten sich in Prag gegen den Besuch der Bundeskanzlerin wegen ihrer Flüchtlingspolitik. Doch Merkel weiß mit Kritikern umzugehen.

Keine guten Gastgeber: tschechische Demonstranten mit „Merkel muss weg“-Plakat Foto: dpa

Prag dpa | Nicht eine, sondern gleich sechs Anti-Merkel-Demonstrationen, Pfeifkonzerte und Buhrufe: Das gehörte auch zum Empfang von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Prag. Die Sprüche der Zuwanderungsgegner reichten am Donnerstag von „Merkel muss weg“ bis hin zu „Prag gehört uns Tschechen“.

Auch der Anti-Islam-Block des Rechtspopulisten Martin Konvicka putschte seine Anhänger auf: „Merkel begrüßt illegale Migranten, wir „begrüßen“ dafür Merkel!“ Für kurze Zeit stellten Rechtspopulisten eine Barrikade aus Pappkartons vor den Regierungssitz am Moldauufer, wohl um die Kanzlerin fernzuhalten.

Die drei Pro-Merkel-Demos gingen da eher unter. Tatsächlich hat die Bundeskanzlerin mit ihrer offenherzigen Flüchtlingspolitik in Tschechien nicht viele Freunde gewonnen. In einer aktuellen Umfrage bewerteten nur 18 Prozent der Tschechen die Arbeit der CDU-Politikerin positiv.

Die Erwartungshaltung in Prag war groß: Merkel sollte sich und ihre Willkommenspolitik für Schutzsuchende erklären. Ministerpräsident Bohuslav Sobotka betonte, dass er keiner dauerhafte Umverteilung von Flüchtlingen in Europa zustimmen werde.

Merkel nahm alles gelassen, sagte: „Ich denke, wir bleiben im Gespräch.“ Sie findet sogar Worte des Lobes: „Das hat schon sehr gezählt, dass die Tschechische Republik immer das EU-Türkei-Abkommen unterstützt hat.“ Und sie räumt ein, dass auch Deutschland einst einmal zu den Quotengegnern gezählt habe.

Unter Ausschluss der Presse sollte die Kanzlerin am Abend noch Präsident Milos Zeman treffen, der die deutsche Willkommenspolitik „Unsinn“ und „falschen Humanismus“ genannt hatte.

Nach einer kurzen Verschnaufpause in Berlin geht es für die Kanzlerin an diesem Freitag weiter nach Warschau. Beim Treffen der vier sogenannten Visegrad-Staaten hat Merkel ein Wiedersehen mit Sobotka. Doch sie trifft auch auf Viktor Orban, der Grenzzäune errichten ließ, und Robert Fico, der beim EuGH gegen die Flüchtlingsquoten klagt. Gastgeberin Beata Szydlo macht mit umstrittenen Justizreformen von sich Reden. War Prag schon kein einfacher Besuch für Merkel, gilt das für Warschau doppelt.

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8 Kommentare

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  • Diese Reaktionen, auch in Tschechien, sind so dumm und verrückt.

    Es handelt sich beim Jihadismus um eine extremistische Sekte - und dabei wird Panik vor allen Flüchtenden und dem Islam geschoben. So krank.

  • Willkommens-Kultur ohne großes Gewese, ohne BILD-Schlagzeilen - im Alltag:

     

    - in meiner ostdeutschen Geburtsstadt, in die ich nach über 50 Jahren in NRW zurückkehrte, hat sich eine junge Friseurmeisterin selbstständig gemacht. Sie stellte einen Friseur aus Syrien ein - sie wurden ein Paar. Ihr Salon, in schönster Lage, ist immer ausgebucht...

     

    - vor einigen Jahren zog ich in eine thüringische Nachbarstadt. Im dortigen Supermarkt hat eine Kassiererin auf dem T-Shirt stehen: "Christa- 25 Jahre für Sie da!" Du mußt sehen, wie herzlich sie mit ihren Kunden umgeht. Hat immer ein Wort für die Kinder der alteingesessenen Familien, hilft behutsam jungen Flüchtlingen - und ein Schwatz mit ihre Stammkundin, einer albanischen Mam ist immer drin.

     

    Integration hat was mit dem Herzen zu tun. Liebe halt...

  • Mit Geld wäre das einfach zu regeln. Subventionen von der EU gibt es für die, die Flüchtlinge aufnehmen, wer keine nimmt zahlt. Man kann Griechenland und Italien nicht einfach im Schlamassel stecken lassen. Die korrupten Führungen der Visegrads brauchen doch die EU Subventionen, um sich und ihren Familien die Taschen vollzustopfen. Bei der Bevölkerung kommt doch fast nichts an, sonst würden deren Länder besser dastehen.

  • "Doch Merkel weiß mit Kritikern umzugehen" steht mit im Titel. Und im Artikel erfahren wir dann, was das bei Frau Merkel mal wieder heißt: ich sage nichts zum Thema.

     

    Bei ihrer offenbar dauerhaften Grenzöffnungsankündigung vor einem Jahr scheute Frau Merkel auch die Auseinandersetzung mir ihrer eigenen Regierungsmehrheit aus CDU, CSU und SPD. Deswegen verzichtete sie einfach auf das erforderliche Bundestagsmandat. Sie mag sich Kritikern einfach nicht stellen, wie es in Demokratien üblich ist.

    • 3G
      34970 (Profil gelöscht)
      @Kommentator16:

      Wann war denn die Grenze zwischen Deutschland und Österreich geschlossen das Frau Merkel die angeblich öffnen musste?

      • @34970 (Profil gelöscht):

        Frau Merkel hat die Grenze dadurch faktisch geöffnet, dass sie alle Ankommenden entgegen der Drittstaatenregelung aus Art. 16a GG und der Dublin-II-Verordnung an der Grenze nicht mehr zurückweisen lässt, sofern sie angeben in Deutschland einen Antrag auf Anerkennung zu stellen. Zudem wird geduldet, dass 80% der Ankommenden ohne Pass einen solchen Antrag stellen können.

         

        Für solche weitreichenden Entscheidungen Bedarf es in einer parlamentarischen Demokratie eines Parlamentsbeschlusses. Diesen hat Frau Merkel nicht erhalten.

        • 3G
          34970 (Profil gelöscht)
          @Kommentator16:

          Du bist also nicht froh das wir diesen Menschen helfen? Meinst Griechenland hätte das alleine stemmen sollen... Ganz schön pervers.

          • @34970 (Profil gelöscht):

            Findest Du das Frau Merkel sich an die Verfassung halten sollte ?

             

            Kurzfristig für einige Wochen fand ich die Entscheidung im letzten Jahr in Ordnung, aber als Dauerlösung unkontrollierte Einwanderung halte ich für unverantwortlich und auch für unverkraftbar. Ich glaube es besteht auch kein Grund die Debatte zu emotionalisieren: Es geht eben nicht nur um "Flüchtlinge", sondern größtenteils schlicht und einfach um Migration. Migration kann und muss man beschränken, weil Ressourcen begrenzt sind und Sozialsysteme umlagefinanziert sind. Das ist auf der ganzen Welt so und deswegen ist Migration ist an Obergrenzen und an Kriterien gebunden. Es kommen ja seit Monaten Menschen gerade deswegen, weil es im Moment einfach möglich ist und nicht weil sie müssen.

             

            Und es geht eben nicht darum, Griechenland zu helfen, weil dort will ja eh keiner bleiben will. Das Sozialsystem ist dort zu unattraktiv.