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Die Anderen

■ Junge Welt: Reise Kohls nach Polen / La Repubblica / Liberation: Krenz trifft Gorbatschow

Junge Welt

Zur Reise von Bundeskanzler Helmut Kohl nach Polen schreibt das Ostberliner Zentralorgan der FDJ:

Erwartungen, er werde diese Gelegenheit dazu nutzen, um vor Ort Abstand von den in der Vergangenheit verstärkt lautgewordenen revanchistischen Forderungen auch aus seiner Fraktion und aus seinem Munde zu nehmen, werden sich wohl nicht erfüllen. Im Gegenteil: Zu Kohls Delegation wird auch Philipp von Bismarck gehören - ein Sprecher der Pommerschen Landsmannschaften. Der Fakt an sich ist schon skandalös genug. Aber der Bundeskanzler hat weiterhin vor, an einem deutschsprachigen Gottesdienst in Chelm teilzunehmen. Einem Ort, der laut 'Trybuna Ludu‘ ein „Symbol für die Zugehörigkeit Schlesiens zu Polen“ ist. Für eine Geste der Versöhnung gäbe es wahrlich bessere Gelegenheiten: Ehrung der Opfer der faschistischen Aggression in Polen oder der konsequente Kampf gegen Rechtsradikale, wie die Republikaner, im eigenen Land.

La Repubblica

Zum Treffen des neuen DDR-Staatschefs Egon Krenz mit Gorbatschow meint das römische Blatt:

Die Perestroika hat nun auch Ost-Berlin erobert. Zwei Wochen nach der Übernahme der Macht vom eisernen Honecker hat sich Krenz in Moskau der alten Erbschaft Ostdeutschlands entledigt und die Epoche der orthodoxen Altkommunisten beendet. Krenz hat sich an die Seite Michail Gorbatschows gestellt in seinem Versuch, während der Krise in ganz Osteuropa den Sozialismus zu reformieren.

Krenz hat Moskau verlassen und mit dem Kreml einen Plan wiederaufgenommen, der auch von der gemeinsamen Sorge geprägt ist, eine Strategie zu finden, die alle Wiedervereinigungsideen zwischen den beiden Teilen Deutschlands blockiert und die historisch politische Identität der DDR wahrt auch auf Kosten einer Lobpreisung der Berliner Mauer.

Liberation

Die Pariser Tageszeitung meint zum selben Thema:

Der neue Chef von Ostdeutschland, der in weniger als 24 Stunden seine erste Auslandsreise in Moskau zu Ende brachte, hat bei einem ersten offiziellen Treffen mit der internationalen Presse den Stil gezeigt, der von nun an in der Führung der DDR herrscht. Politische Öffnung ja, Reformen sicherlich, Unterstützung der Perestroika ganz sicher. Aber vor allem Sozialismus und Standhaftigkeit in den Grundsätzen. Von Fragen über die innenpolitische Entwicklung seines Landes und über die künftigen Beziehungen zur Sowjetunion Gorbatschows bedrängt, verlor Krenz niemals seine persönliche Ausgeglichenheit.

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