■ Die Anderen: Die "Frankfurter Rundschau" kommentiert die Rentendebatte / Die "Berliner Zeitung" plädiert für einen radikalen Umbau des Rentensystems / Die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt dazu
Die „Frankfurter Rundschau“ kommentiert die Rentendebatte: Der Anstieg des Rentenbeitragssatzes ist eine Katastrophe. Statt aber Mehrheiten für eine grundlegende Reform zu organisieren, verplemperte Blüm die Zeit damit, der SPD das Ja zur höheren Mehrwertsteuer abzuluchsen. An einer grundlegenden Rentenreform führt kein Weg vorbei. Die Jungen sind die Dummen. Sie zahlen heute Spitzenbeiträge, erhalten aber, wenn sie in den Ruhestand gehen, relativ betrachtet weniger. Eine ökologisch unterlegte Reform des Steuer- und Abgabensystems könnte die Grundlage dafür schaffen, daß der einzelne Bürger den materiellen Spielraum für die angemahnte zusätzliche individuelle Vorsorge erhält. Die Abgaben sinken nachhaltig, wenn versicherungsfremde Leistungen – wie es sich gehört – über Steuern finanziert werden. Dann tragen auch Beamte und Selbständige angemessen zur Bezahlung allgemeiner Aufgaben bei.
Die „Berliner Zeitung“ plädiert für einen radikalen Umbau des Rentensystems: Es liegt auf der Hand, daß sich etwas ändern muß. Man braucht eine Grundsicherung für das Alter, die allerdings nur einen elementaren Lebensunterhalt garantieren kann. Ob sie aus Beiträgen oder aus Steuern finanziert wird, ist zweitrangig. In jedem Fall muß die Kindererziehung neben der Wertschöpfung durch Erwerbsarbeit als selbstständige, unentbehrliche Leistung für die Funktionsfähigkeit eines Sozialsystems berücksichtigt werden. Für eine Übergangszeit, in der zugleich das Kapital für eine eigenverantwortliche Altersvorsorge anzusammeln und die Rentenanwartschaften der Älteren einzulösen sind, wird das Probleme schaffen, für die noch keine Lösung vorliegt. Doch die Grundentscheidung sollte klar sein.
Das Ende der Blüm-Dreßler-Sozialpolitik ist absehbar. Der Schaden, den sie angerichtet hat, ist noch gar nicht zu ermessen. Sie hat das Klima zwischen den Generationen vergiftet und die Bevölkerung daran gewöhnt, daß man Politikern nicht glauben darf. Vor allem aber hat diese angeblich soziale Politik die Idee des Sozialen in Mißkredit gebracht.
Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt dazu: Das Vertrauen in die gesetzliche Altersversorgung ist bereits so sehr erschüttert, daß die Flucht aus dem Sozialsystem spürbar wird: Seit dem Sommer brechen die Beitragseinnahmen der Rentenversicherung weg – die Größenordnung hat selbst Fachleute überrascht. Die Erosion der Sozialsysteme hat begonnen – ein Teufelskreis. Immer weniger sozialpflichtig Beschäftigte müssen für immer mehr Alte, Kranke und Pflegebedürftige aufkommen; die Beiträge aller Sozialversicherungen steigen; die Flucht aus dem System verstärkt sich. Und die Rentner werden sich mit Mini-Erhöhungen ihrer Rente abfinden – und das wohl für viele weitere Jahre.
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