■ Die Anderen: Die "Frankfurter Rundschau", die "Zeit" und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zu Roman Herzogs Rede zur Bildungspolitik / Die Moskauer "Iswestija" schreibt zum 80. Jahrestag der Oktoberrevolution
Die „Frankfurter Rundschau“ zu Roman Herzogs Rede zur Bildungspolitik: Nun wissen wir es. Am verschlafenen Michel, der den Anschluß an die Welt verliert, sind, na klar, die Lehrer, die Kultusminister und die Bildungsbürokraten schuld. Sie behindern die Freiheit der Schulen und Hochschulen. Sie sind die Langsamen in dieser Republik, die nichts bewegen und Bewegung verhindern. Es ist schon beachtlich, zu welch platten Urteilen, Stammtischparolen, aber auch Selbstverständlichkeiten sich der Bundespräsident hinreißen läßt. Da stimmt irgendwie alles und wiederum auch nichts. Vom Alltag in Schule, Lehre und Studium ist der Rundumschlag des Bundespräsidenten weit entfernt.
„Die Zeit“ aus Hamburg schreibt zum gleichen Thema: Jetzt endlich kann das Prinzip der Chancengleichheit ernst genommen werden. Und das heißt im vorliegenden Fall: Die beste Bildung für alle erfor-
dert auch die beste Bildung für die Besten. Alles
andere wäre eine Vergeudung von Talent und verriete mangelnden Respekt vor individuellen Fähigkeiten. Wer an die Leistungseliten von morgen hohe Ansprüche stellt und Vordenker, auch Vorbilder sucht, wird auf allen Ebenen des Bildungssystems Ansprüche stellen. Nur dann werden Elite und Demokratie nicht zum Gegensatz. Am Ende stünde eine ehrgeizige Gesellschaft. Und die wünschen wir doch alle. Oder?
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt: Herzogs Ruck-Appelle spornen an. So war es mit seiner Rede zur Wirtschaft, so ist es mit seiner Rede zur Bildung. Er hat dafür jeweils Berlin als Podium gewählt und so Vorgaben für die künftige „Berliner Republik“ gemacht, die seiner Vorstellung nach jedoch ganz anders aussehen soll, als von manchen gehofft oder angestrebt. Herzogs jetzt bekräftigte Bildungspolitik ist nämlich konservativ in den Grundlagen wie in ihren Perspektiven: Fortschritt ist nicht Ziel, sondern Methode. Richtschnur ist nicht die Veränderung, sondern die Eignung – die Eignung für eine globalisierte Gesellschaft, in der nicht Gleichgültigkeit gegenüber den einzelnen, sondern Gleichwertigkeit der einzelnen herrscht.
Die Moskauer „Iswestija“ schreibt zum 80. Jahrestag der Oktoberrevolution: Der Staatssozialismus wurde nicht vom Kapitalismus besiegt. Ihn hat eine Ordnung besiegt, die der heutigen Entwicklung der menschlichen Zivilisation mehr entspricht: der Postindustrialismus. Für die Sozialisten existieren heute drei Varianten. Nach Marx handeln, also abwarten. Nach Lenin handeln, also die Geschichte vergewaltigen. Sozialdemokratisch handeln, also die Unausbleiblichkeit der postindustriellen Ordnung anerkennen und für die maximale Möglichkeit kämpfen, in dieser Ordnung Ideen des Sozialismus zu verwirklichen.
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