■ Die Anderen: „Le Figaro“ hält den WM-Sieg der multi-ethischen französischen Nationalmannschaft für einen Erfolg der Integrationspolitik / „France-Soir“ schreibt zum WM-Sieg / Die „Stuttgarter Nachrichten kommentieren die Love Parade
„Le Figaro“ aus Paris hält den WM-Sieg der multiethnischen französischen Nationalmannschaft für einen Erfolg der Integrationspolitik: Noch vor dem Anpfiff zum Finale hatte Frankreich etwas gewonnen, das kostbarer ist als ein Pokal, und sei es auch ein Weltpokal: ein schönes und starkes Bild von sich selbst. Bei diesem Fest der Nationen hatte Frankreich mehr zu zeigen als die anderen. Es trug nicht nur die Verantwortung für die Organisation. Seine Mannschaft hatte nicht nur den Ehrenplatz zu gewinnen, der vom Gastgeberland erwartet wird. Sie hatte den heimlichen Auftrag, den Franzosen eine Lehre in Vertrauen, Ambition und Enthusiasmus zu erteilen. Auf allen Bildschirmen der Welt ist die französische Botschaft mit ihren verschiedenen Gesichtern erschienen: Frankreich gehört im Konzert der Nationen zu denen, die das Ideal der Integration am weitesten vorangetrieben haben. Denn Frankreich hat sich immer stark genug gefühlt und danach gesehnt, all seine neuen Kinder in sein Abenteuer einzubeziehen.
In diesen Tagen haben wir das Gefühl, daß dieses Ideal seine Kraft wiederfinden könnte. Wir sehen diese bunte Mischung der Jugendlichen mit Trikolore-Fahnen, woher immer sie sie auch haben. Sie singen oft zum ersten Mal die „Marseillaise“ und feuern die Mannschaft mit „Allez les Bleus“ an – unsere Herolde, die wie die der alten Könige in der blauen Farbe Frankreichs gekleidet sind.
Die Boulevardzeitung „France-Soir“ schreibt zum WM-Sieg über Brasilien: Bravo, Herr Trainer, das war nötig. Frankreich hat davon geträumt. Sie haben dem Land das Beste gegeben – eine Art Orgasmus in Blau-Weiß-Rot. Trainer Aime Jacquet als Präsident? Im Delirium dieser endlosen Nacht, als die Verrücktheit die Leidenschaft überstieg, mußte dieser Slogan über Hunderte von Lippen kommen. Drei Tore in 90 Minuten haben ausgereicht, um das Volk mit sich selbst zu versöhnen und ihm eine besondere Liebesnacht zu schenken. Fußball ist nicht mehr als ein Spiel, aber es ist trotzdem verrückt, daß mit dem Sieg eine Nation um eine Fahne vereint werden kann. Und darauf können sie stolz sein, Monsieur Jacquet.
Die „Stuttgarter Nachrichten“ kommentieren die Love Parade im Berliner Tiergarten: Junge Menschen neigen dazu, sich eine Gegenwelt zur Welt der Erwachsenen aufzubauen. Es ist eine Welt aus Träumen, Idealen und Hoffnungen. Hier, mit der Love Parade, ist der große Wurf gelungen: Einmal im Jahr für einen kurzen Tag gehorcht alles den Regeln einer phantastischen Idee, die von einer friedvollen und ausgelassenen Welt kündet, von einem schwerelosen Leben ohne Zwänge, Sorgen und Gewalt. Frankreichs Ex-Kulturminister Jacques Lang, der zu Gast in Berlin war, sieht in der Para-
de eine politische Tat. Wer wollte ihm widersprechen?
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