Kommentar: Die Amiga-Affäre
■ Hessen: Warum die grüne Ministerin Nimsch zurücktreten sollte
Was haben die Bündnisgrünen, laut einigen SPDlern inzwischen eine „stinknormale Partei“, nicht alles zu bieten – „Cousinenwirtschaft“ zum Beispiel. Das glauben zumindest Union und FDP in Hessen. Die bündnisgrüne Ministerin Margarethe Nimsch soll ihrer Parteifreundin Claudia Weigt, die in Offenbach eine Beraterfirma betreibt, im Römer fette Aufträge zugeschustert haben. Bayerische Amiga-Verhältnisse bei den Grünen in Hessen?
Wundern würde das kaum noch einen. Denn gerade in Hessen haben bündnisgrüne MinisterInnen, Staatssekretäre und Landtagsabgeordnete hart daran gearbeitet, daß vom Image der etwas anderen, etwas moralischeren Partei nicht viel übrig ist. Wer nennt die Namen, zählt die Skandale? Ministerin Blaul stürzte über Personalquerelen, ihr Büroleiter Zahn über großzügige Zahlungen, der grüne Fraktionschef Hertle trat zurück etc.
Im Detail mögen die Affären heute kaum noch nachvollziehbar sein – in der Summe sind sie die Eintrittskarte in das System der repräsentativen Demokratie. Abteilung: pervertierte Erscheinungsformen. Inzwischen gibt es auch bei den Grünen knapp 40jährige „SpaziergängerInnen“ mit fetten Renten bis zum Lebensende aus dem Steuertopf. Und jetzt auch noch eine Protegé-Affäre in Wiesbaden.
Mit „Naivität und Blauäugigkeit“ sei Nimsch an die Sache herangegangen, heißt es beschwichtigend aus Regierungskreisen. Das mag stimmen. Doch Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Gerade dann nicht, wenn es an politischen Leistungen mangelt, die alleine die Waagschale für Nimsch im Gleichgewicht halten könnten. Aber Nimsch hat, in den Augen ihrer Partei, auch als Umweltministerin versagt. Mit ihrer raschen Genehmigung von Giftmüllimporten aus Italien für die Sondermüllverbrennungsanlage in Biebesheim hat sie die südhessische Parteibasis vergrätzt. Auch wenn ein aktuelles Gutachten ihre Genehmigungspraxis stützt – zumindest ein bißchen Widerstand gegen die Einfuhr von toxischem Müll hätte die Partei schon von ihr erwartet.
Doch Nimsch schwieg – und sie schweigt auch heute. Manisch war sie nie; eher schon depressiv. Auch deshalb wird sie als mögliche Spitzenkandidatin in Hessen 1999 kaum WählerInnen mitreißen. Ihr bleibt der Rücktritt, ein sauberer Abgang. Jetzt – und nicht erst vor der Bundestagswahl. Klaus-Peter Klingelschmitt
Bericht Seite 6
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