Die AfD und die Öffentlichkeit: Protestpartei schmeißt Presse raus

Bei einem Wahlkampftermin in Bremen bleibt die „Alternative für Deutschland“ lieber unter sich: JournalistInnen werden aus dem Saal geworfen.

Spricht nicht für jeden: AfD-Spitzenkandidat Lucke beim ungestörten Wahlkampfauftakt in Köln Bild: dpa

BREMEN taz | Christian Schäfer versucht sich in Schadensbegrenzung: Die Situation sei „angespannt“ gewesen, sagt der Bremer Landessprecher der „Alternative für Deutschland“ (AfD), der Umgang „womöglich unprofessionell“. Bei einem Europawahl-Auftritt des AfD-Spitzenkandidaten Bernd Lucke im Bremer Konsul-Hackfeld-Haus vor etwa 150 Zuhörern war es am Mittwoch zu Protesten und Rangeleien gekommen. Sicherheitsleute griffen die Journalistin und Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke an. Ein freier Fotograf wurde aus dem Veranstaltungsraum gedrängt. Dabei sei er zu Boden gestürzt, berichtet er der taz. Die beteiligten Sicherheitsleute habe er wegen Körperverletzung angezeigt.

Fotos zeigen, wie ein Security-Mann nach der Kamera des Fotografen greift und auch, wie Röpke der Fotoapparat entrissen werden soll. Beide Journalisten warf man schließlich aus dem Saal – genauso wie einen jungen Mann aus dem Publikum, der gegen den Angriff auf die Journalisten protestiert hatte. Auch der taz wurde danach der Zutritt verweigert. Bleiben durften ein Fernseh-Team von Radio Bremen sowie eine Bild-Fotografin.

„Wir haben nichts anderes gemacht als die Kollegen“, sagt Röpke der taz. „Ich hatte das Gefühl, dass es vor allem ehemalige Anhänger anderer rechter Parteien waren, die veranlasst haben, uns rauszuwerfen.“ Ein Sprecher der AfD habe ihr verboten, ihn zu filmen. „Das ist kein Umgang einer demokratischen Partei“, so Röpke.

„Das war sicherlich nicht richtig“, sagte AfD-Sprecher Schäfer dann am Donnerstag. „Es ist nicht Politik unseres Landesverbandes, die Presse auszuschließen.“ Einige Gäste hätten nicht fotografiert werden wollen. Der zweite AfD-Landesvorstand, Michael Schellong, hatte gegenüber Radio Bremen erklärt, er habe den Hinweis bekommen, „dass es Antifa-Leute sind“ – und daraufhin entschieden, sie rauszuwerfen.

Vor dem Konsul-Hackfeld-Haus protestierten etwa 70 Demonstranten gegen die AfD. Sie riefen Parolen gegen Nationalismus und Rechtspopulismus. Die Polizei war mit mehreren Mannschaftswagen im Einsatz. Insgesamt seien zehn Strafanzeigen angefertigt worden, unter anderem „wegen Hausfriedensbruch und Körperverletzungsdelikten“.

Bereits in der Nacht zu Mittwoch waren Türen und Fenster des Gebäudes mit pinken Farbbeuteln beworfen worden. In dem Haus, das dem Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) gehört, ist regelmäßig auch die Linkspartei zu Gast.

Die Bremer Antifa-Gruppe Avanti hatte gefordert, die Veranstaltung abzusagen, um „Rechtspopulismus und Menschenverachtung keinen öffentlichen Raum“ zu gewähren. Über die Mieter sei er „nicht sehr glücklich“, sagte auch Frank-Martin Baumann, Geschäftsführer des Tagungsortes, der taz. Die Veranstaltung sei „reingerutscht“, der Vertrag nun aber gültig.

Kurz nach dem Angriff auf die Journalisten lärmte eine kleine Gruppe von Jusos im Publikum mit Trillerpfeifen. Er habe die Parole „Keine Macht dem Rechtspopulismus gerufen“, sagt der 19-jährige Martin. Auf Fotos der Bild-Fotografin ist zu sehen, wie die Sicherheitsmänner ihn von hinten im Würgegriff packen.

Der SPD-Nachwuchs hatte sich mit einer „AfD-Inhalte-Glücksrad“-Aktion an den Protesten beteiligt. Der „Markenkern“ der Partei sei „längst nicht mehr Euro-Kritik“, sagt Bremens Juso-Chef Falk Wagner. Marktradikale wie Olaf Henkel, der massive Steuersenkungen für Reiche forderte, und christliche Fundamentalisten wie Beatrix von Storch, die gegen Schwule und Abtreibungen agitiere und die Schulpflicht abschaffen wolle, fänden sich auf der AfD-Europaliste auf aussichtsreichen Plätzen. „Dass sie dies hinter einer One-Man-Show um ihren Möchtegern-Autokraten Bernd Lucke versteckt, macht die Partei gefährlich“, so Wagner.

Bei der letzten AfD-Großveranstaltung in Bremen war es im September 2013 zu Tumulten gekommen: AfD-Chef Lucke wurde von der Bühne geschubst. Die Polizei verbreitete über ihre Pressestelle die Angaben der AfD – die eine Messer-Attacke und bis zu 25 vermummte Angreifer gesehen haben wollte; mitten im Bundestags-Wahlkampf sorgte das bundesweit für Aufmerksamkeit.

Bremens Polizeipräsident musste später eingestehen, dass der Tathergang deutlich weniger dramatisch war. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen drei Störer, ein Messer sei nicht im Spiel gewesen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.