Die 17,6 Prozent Opposition: Schmoren im eigenen Saft
Nach den selbstzerfleischerischen Querelen Ende 2011 muss sich die Grünen-Fraktion erst wieder auf den parlamentarischen Alltag einstellen.
Da war es dann wieder: Wenn sich die Grünen da uneins seien, spottete einer aus der rot-schwarzen Koalition, dann sollten sie sich doch wieder einen Mediator holen, wie im Oktober. Noch heute, mit drei, vier Monaten Abstand, muss die Grünen-Fraktion in Parlamentsausschüssen oder in Plenarsitzungen Häme über sich ergehen lassen wegen ihrer zeitweisen Selbstzerfleischung. Regierungsfähig würden die Grünen sein wollen?, spottete etwa CDU-Generalsekretär Kai Wegner bei einem Parteitag im Januar - "die sollen doch erst mal oppositionsfähig werden".
Das Dumme für die Grünen: Der Eindruck jener Wochen im Oktober, als schier die Spaltung der Fraktion drohte, als ihr linker Flügel das Wahlergebnis zur Fraktionsspitze nicht akzeptierte, und mit eigenem Auftreten drohte, als der langjährige Fraktionschef Volker Ratzmann schließlich entnervt zurücktrat, als es nur noch mit zwei Schlichtern weiterging - dieser Eindruck sitzt einfach zu tief. Sogar von einem "Vernichtungsfeldzug" war bei einem Parteitag im November die Rede.
Derzeit herrscht zumindest nach außen Ruhe. Auch bei einem erneuten Parteitag vor knapp drei Wochen gaben sich alle nett zueinander. Der führende Kopf der Parteilinken, Dirk Behrendt, entschuldigte sich bei dieser Gelegenheit sogar öffentlich bei allen, "denen ich Wunden geschlagen habe". Fraglich ist, wie lange dieser Zustand anhält. Denn die derzeit als alleinige Fraktionschefin amtierende Ramona Pop ist nur auf ein Jahr gewählt. Und bei der Neuwahl wird die Frage zu klären sein, ob es wie bis Oktober wieder eine Doppelspitze geben soll. Neue Flügel- und Führungskämpfe sind dabei alles andere als ausgeschlossen.
Hinterbänkler Ratzmann
Denn Pop und Behrendt werden zwangsläufig weiterhin für die unterschiedlichen Pole der Fraktion stehen. Nicht unproblematisch ist die neue Rolle Ratzmanns. Einer, der acht Jahre Fraktionschef und Gesicht der Grünen war, nun als Hinterbänkler - das passt nicht wirklich ins Gefüge. Das Problem könnten die Grünen selbst erledigen, wenn sie Ratzmann 2013 in den Bundestag schicken.
Beim jüngsten Parteitag haben die Grünen ihren zentralen Antrag überschrieben mit "Grüne Oppositionsführerschaft. Bessere Konzepte für Berlin". Rein zahlenmäßig müsste den Grünen tatsächlich die Chefrolle zufallen. Dass die Zahl der Abgeordneten allein aber nicht Meinungsführerschaft garantiert, ließ sich bis zur Mitte der vergangenen Wahlperiode gut sehen: Da war der eigentliche Oppositionsführer zeitweise nicht CDU-Fraktionschef Frank Henkel, sondern sein Kollege Martin Lindner von der nicht mal halb so großen und inzwischen untergegangenen FDP-Fraktion. Der schaffte es - rhetorisch gut und auf Krawall gebürstet - am besten, gegen die rot-rote Koalition zu punkten.
Und so waren auch die Verfasser des Grünen-Leitantrags vorsichtig genug, die Führungsrolle nicht qua Größe einzufordern. "Nicht allein die Anzahl der WählerInnenstimmen macht uns Grüne zur Oppositionsführerin," heißt es in dem Papier, das die Grünen-Politik kommender Jahre prägen soll, "sondern unsere politische Arbeit innerhalb und außerhalb des Parlaments."
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