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Dialog mit einergestörten Maschine

Zwei alberne Kinder aus Belgien: Ming inszenieren Chansons im Spielzeugsound

Das hier ist kein TripHop. Versprochen. Auch wenn man es auf den ersten Blick denken könnte: Denn Ming sind ein Duo mit einer singenden Frau und einem – wie es scheint – männlichen Bastler, der sich eher im Hintergrund hält. Aber weder Nicolas Deschuyteneer noch seiner Kollegin Frederic Franke wird man gerecht, will man die beiden aus Brüssel auf diese klassische Rollenverteilung festlegen.

Begonnen haben sie unter dem Namen Les Brochettes „mit Instrumenten, die eher Spielzeug als professionelle Klangerzeuger“ waren, erzählt Deschuyteneer, „und wir haben uns die Neigung zu komischen Maschinen erhalten“. Die Vorstellung, den ganzen Abend an einem Computerbildschirm verbringen zu müssen, schreckt sie, also hüpfen sie vom antiken Synthie zur Beatbox und wieder zurück zum altertümlichen Sampler. „Wir finden den Zufall aufregend“, sagt Deschuyteneer, „wir brauchen Störungen, Einflussnahme, Missverständnisse zwischen uns und der Maschine.“ Also wird gewechselt, ist jeder der beiden jederzeit für jede Kommunikation zuständig, egal ob sie nun per Gesang, Instrument oder Sampler geführt wird. Bei Ming wird die elektronische Klangerzeugung benutzt wie klassisches Instrumentarium. Im Übungsraum wird auf der Suche nach „dem Glamour des Instruments“ improvisiert und rumgespielt wie bei jeder dämlichen Rockband auch. „Wir machen schon so lange zusammen Musik“, sagt frederic Franke, „wir spielen einfach, wir sind wie zwei alberne Kinder.“ Das Ergebnis: Selten wohl hat man elektronische Musik gehört, die so wenig kopflastig ist. „Es gibt keine Vision“, ergänzt sie, eher sei das Arbeiten „eine Art von Dialog“ mit den Maschinen. Für manchen mag die Elektronik so ihren Reiz verlieren, andererseits ist die Naivität der kleinen fiepsigen Songs von Ming schlicht überwältigend.

Der Vergleich liegt vielleicht allzu nahe, aber tatsächlich könnte man meinen, die Zukunft des Chansons zu hören, inszeniert mit den Mitteln der vorletzten technischen Revolution.

Tatsächlich scheint sich ihre Musik mit ihrem weichen Geblubber und einem ganzen Arsenal an Sounds aus dem Spielzeugladen ganz bewusst abgrenzen zu wollen von den kalten Elektro-Brettern, die Belgien vor gut zehn Jahren der Welt schenkte. Niemals aber, so sagen die beiden, hätten sie ihre Musik als ausdrückliche Reaktion auf EBM verstanden: „Ursprünglich waren wir eher beeinflusst vom Chanson.“

Trotzdem, darauf legen sie Wert, wollen sie immer noch vor allem Tanzmusik spielen. Aber auch wenn die Beats manchmal schaben, als wollten sie einen Luftschutzkeller beschallen, bleibt doch vorherrschend: Dies ist kein TripHop, aber Musik, zu der man eher ein Gläschen Wein einwirft als eine Ecstasy-Pille. Ming sagen das auch, nur anders: „Keine Regeln. Alles ist möglich.“Thomas Winkler

Heute, 22 Uhr im Bastard@Prater, Kastanienallee 7-9, Prenzlauer Berg, und am 14. 1. noch einmal im Subground

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