Deutschstämmiger Islam-Theologe gesperrt: Ein Sieg der Fundis
Islamforscher Muhammad Sven Kalisch darf muslimische Religionslehrer nicht mehr ausbilden. Er mutmaßt, der Prophet Mohammed habe nicht real existiert.
KÖLN taz Muhammad Sven Kalisch zeigt sich unbeugsam. "Wenn Theologie eine Wissenschaft sein will, muss sie ergebnisoffen sein", sagt der umstrittene Leiter des Münsteraner Centrums für religiöse Studien. Deswegen sehe er es weiterhin als seine Aufgabe, angehende muslimische Religionslehrer zu eigener kritischer Reflexion zu befähigen. Doch dazu wird Kalisch wohl demnächst keine Gelegenheit mehr haben.
Denn nach den Vorstellungen des nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministeriums wird der bundesweit erste und derzeit noch einzige Lehrstuhlinhaber für Religion des Islam künftig mit der Lehrerausbildung nichts mehr zu tun haben. Kalisch soll sich auf die Islamforschung konzentrieren. Für die Lehrerausbildung will das Ministerium bald eine neue Professur schaffen.
Damit reagiert NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart auf die scharfe Kritik muslimischer Verbände an Kalisch. Anfang des Monats hatte der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) aus Protest gegen den 42-jährigen Professor dem Münsteraner Centrum die Zusammenarbeit aufgekündigt. Sie würden "muslimischen Studierenden nicht empfehlen können, sich an diesem Lehrstuhl einzuschreiben", so die KRM-Mitgliedorganisationen Islamrat, Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, Verband der Islamischen Kulturzentren und Zentralrat der Muslime in Deutschland.
Hintergrund des Konflikts sind die für manch frommen Muslim nur schwer verdaulichen theologischen Ansichten Kalischs. So geht er davon aus, dass "weder die Geschichtlichkeit noch die Un-Geschichtlichkeit des Propheten beweisbar ist". Er selbst tendiert dabei zu der Annahme, dass Mohammed nicht real existiert hat. "Ich stehe zu meiner Position." Gleichwohl betont der gebürtige Hamburger: "Ich bin kein Dogmatiker, mir geht es um eine ergebnisoffene Wissenschaft."
Trotzdem haben ihn solche Thesen schon seit langem zum Ziel konservativer islamischer Publikationen wie der türkischen Tageszeitung Zaman gemacht. In unzähligen Artikeln wetterte das der türkischen Regierungspartei AKP nahestehende Blatt gegen Kalischs "die Muslime kränkenden Ansichten".
Er sei "schon erstaunt, dass jetzt die deutsche Politik das Drehbuch von Zaman verfilmt", kommentiert Kalisch. "Das ist sehr schade für den Islam." Denn damit würde man auch an der Universität den Traditionalisten in der islamischen Community die Deutungshoheit überlassen. Dass er kein Muslim "im traditionellen Sinne" sei, räumt er unumwunden ein. "Doch ich bin ein Muslim."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ricarda Lang über Strategie der Grünen
„Die Schuldenlast tragen die Falschen“
Illegales Autorennen in Ludwigsburg
Männer mit Mercedes im Kopf
Stand der Koalitionsverhandlungen
Bitterer Vorgeschmack
Angriff auf Informationsfreiheit
Amthors Rache
Schlechte Zahlen der Deutschen Bahn
It’s Daseinsvorsorge, stupid
Deutsche Bahn in der Krise
Wie der Staatskonzern wieder fit wird