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Deutschlands koloniales Erbe"Die Vorfahren ruhen nicht in Frieden"

Streit um makabre Beutestücke: In Freiburg liegen noch immer menschliche Schädel aus "Deutsch-Südwestafrika". Endlich kommt Bewegung in die Rückgabe-Gespräche.

Einsegnung vor dem Abmarsch: Die 2. Marine-Feldkompanie der Deutschen besiegte 1904 das Herero-Volk und vertrieb es in die Omaheke-Wüste. Bild: dpa

Er wollte unter vier Augen mit Hans-Jochen Schiewer sprechen: Vergangenen Donnerstag stattete der namibische Botschafter Neville Gertze dem Rektor der Universität Freiburg einen Besuch ab. Denn in der Sammlung des Uni-Archivs liegen noch immer Schädel aus der früheren Kolonie "Deutsch-Südwestafrika", dem heutigen Namibia. Es handelt sich dabei um Beutestücke aus dem Herero-Aufstand anfang des 20. Jahrhunderts, deren Rückführung Opferinitiativen schon seit Langem fordern.

Ganz offensichtlich war dies Treffen ein wichtiger Schritt dafür. In einem 2004 gefassten Grundsatzbeschluss hatte sich die Uni Freiburg zwar prinzipiell zu Rückgaben bereit erklärt, insistierte aber immer darauf, keine offizielle Rückgabebitte aus Namibia erhalten zu haben. Dies wurde häufig kritisiert, da die bilateralen Gespräche auf Regierungsebene bereits seit drei Jahren laufen und die Forderungen von namibischen Opfergruppen, Parlament und Regierung breit in den Medien zirkulierten. Nun sagte Gertze der taz, dass das Gespräch sehr positiv und kooperativ verlaufen sei.

Im Mai hatte der baden-württembergische Wissenschaftsminister Frankenberg auf eine Anfrage mehrerer grüner Abgeordneter geantwortet, die staatlichen Einrichtungen seien "grundsätzlich bereit, entsprechenden Rückführungsersuchen der Regierungen aus ehemaligen Kolonialgebieten, bei denen berechtigte Herausgabeansprüche bestehen, nachzukommen". Neben etwa 17 Schädeln im Uni-Archiv Freiburg befänden sich im Linden-Museum Stuttgart sowie im Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart in geringem Umfang menschliche Überreste aus ehemaligen Kolonialgebieten.

Weitere Erkenntnisse konnte der Minister nicht vorweisen. Auf die Frage, welche Anstrengungen zur Rückführung menschlicher Überreste und von Kulturgütern die Regierung bzw. die betroffenen Museen bisher unternommen hätte, räumte Frankenberg ein, dass zu dieser Thematik keinerlei Kontakte zu Regierungen und Opfergruppen bestünden.

Die Grünen-Abgeordnete Gisela Splett kommentierte gegenüber der taz, dass es schwierig sei, Rückgabe-Ersuchen zu stellen, wenn nicht einmal die Landesregierung selbst wisse, wo welche Schädel lagern. Dies systematisch herauszufinden sei deren Aufgabe. In der Tat müssten Bund und Länder Hand in Hand arbeiten und Mittel bereitstellen, da die Institutionen bislang selbst nicht mit ihren kolonialen Beständen an die Öffentlichkeit gehen. Aufgrund von Kriegsschäden und fehlender Dokumentationen wissen sie sogar manchmal selbst nicht genau, was bei ihnen lagert.

Deutliche Worte hatte kürzlich Esther Utjiua Muinjangue, die Vorsitzende des Ovaherero Genozid-Komitees, gefunden. Bei einer Veranstaltung an der Evangelischen Hochschule Freiburg sagte sie, vielleicht sei der vor über 100 Jahren begonnene Krieg zwischen den Deutschen und Herero noch gar nicht vorbei - denn es gebe keinen Friedensvertrag. Auch wenn er nicht mehr mit Waffen ausgefochten werde, so gehe es heutzutage vielleicht um den Kampf, die deutsche Regierung zum direkten Dialog mit den Opfergruppen zu zwingen. Nach jahrzehntelangem Schweigen wollten die Herero in einem Versöhnungsprozess von ihren Gefühlen sprechen und erreichen, dass die Verbrechen von damals endlich offiziell von Deutschland anerkannt würden.

Utjiua Muinjangue kritisierte, dass die deutsche Regierung im Moment über die Hereros rede, aber nicht auf Augenhöhe. Die Rückgabe der Schädel und anderer menschlicher Überreste sei eine äußerst dringende Angelegenheit für die Herero: "Die Seelen unserer Vorfahren ruhen hier nicht in Frieden." Dabei gehe es jetzt nicht darum, das Thema zu beerdigen. In Namibia sollten die Schädel vielmehr zum Gedenken und zur Mahnung im neuen Unabhängigkeitsmuseum gelagert werden.

Die Forderung nach Rückführung wird mittlerweile einhellig von den unterschiedlichen Repräsentanten der Opfergruppen, in erster Linie Ovaherero und Nama, erhoben. Auch wenn noch keine letzte Klarheit darüber besteht, was mit den Schädeln geschehen soll, so herrscht auf namibischer Seite doch Einhelligkeit, dass dies nicht eine Angelegenheit sei, in die sich deutsche Stellen einzumischen hätten.

Wie eine solche Rückführung vor sich gehen kann, wurde im Januar 2010 vorgeführt. Vor 129 Jahren waren mehrere verschleppte Kawesqar aus Feuerland bei einer von Carl Hagenbecks Völkerschau-Tourneen in Zürich gestorben. Nun wurden die Skelettteile vom Anthropologischen Institut der Universität Zürich an Chile übergeben. Dort wurden die Gebeine mit einem Staatsakt würdevoll in Empfang genommen und von den wenigen überlebenden Nachfahren traditionell beerdigt. Chiles Präsidentin Michelle Bachelet erklärte dabei, dass die chilenische Nation eine Mitschuld an der Verschleppung wie exotisches Vieh habe, und entschuldigte sich. Schweden, Großbritannien und andere Länder haben in den letzten Jahren Schädel an Australien zurückgegeben, und Australien fordert dies auch nach wie vor von Deutschland.

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3 Kommentare

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  • D
    denninger

    Die Bundesregierung wie auch die Länderregierungen müssen endlich handeln und konzertiert ihre rassenkundlichen - pardon, "anthropologischen" Trophäensammlungen auflösen. Wissenschaftliche Argumente für ein Fortbestehen kann ich nicht erkennen.

    Klar, dass die Meldung "Deutschland gibt die Gebeine von Opfern des Kolonialismus zurück" nicht erwünscht ist. Aber wir sollten doch unserer Verantwortung bewusst sein.

  • N
    Nobilitatis

    Da passt irgendetwas nicht zusammen. Einmal ist es nicht logisch, wenn der Wunsch einer Rückführung so gross ist, dass man sich nicht direkt an die Universität wenden will. Dann fehlen jegliche Informationen, um was für Knochen es sich handelt, welcher wissenschaftliche Wert darin steckt. Mittelalterliche Knochen werden ja auch regelmässig untersucht und gesammelt.

    Dann sollen die Knochen in ein "Völkermordmuseum"? Das kollidiert doch eindeutig noch mehr mit der Begründung des Rückführungsbegehrens?

    Bitte nochmal recherchieren, sonst fühlt sich der Leser für dumm verkauft.

  • UG
    Ulf G. Stuberger

    In dem Artikel fehlt die Information, dass auch an der Charité in Berlin in einem "Schädelarchiv" Gebeine von Herero aufbewahrt werden - auch die taz hatte darüber am 9. Dezember 2008 berichtet. Bei Recherchen zu meinem Buch "Ich war ein weißer Farmer in Afrika" erklärte mir 2007 die für dieses Archiv verantwortliche Person ausdrücklich, man sei gerne dazu bereit, die Schädel für eine menschenwürdige Bestattung an Namibia zuzrückzugeben, das sei aber eine Sache, die von der Politik entschieden werden müsse. Die denkbar zuständigen deutschen Ministerien verwiesen mich an jeweils andere Stellen, bis alles schließlich beim Bundeskanzleramt hängenblieb. Das hat mir bis heute nicht geantwortet. Ulf G. Stuberger, Marxzell