Deutschland half weißrussischem Diktator: Polizei schulte Lukaschenkos Miliz
Die deutsche Polizei als Vorbild: Sie bildete mehrere Jahre weißrussische Sicherheitskräfte und Milizionäre aus. Diese durften sogar bei den Castor-Einsätzen zuschauen.
BERLIN taz | Die deutschen Sicherheitsbehörden kommen nicht aus der Kritik. Der neueste Aufreger: Beamte der Bundespolizei und des Bundeskriminalamts haben in größerem Umfang und weit länger als bisher bekannt weißrussische Sicherheitskräfte ausgebildet.
Wie die Bundesregierung am Freitag bestätigte, seien von 2007 an rund 500 Beamte des autoritären Regimes teils in Deutschland, teils in Weißrussland in mehrtägigen Kursen geschult worden. Neben weißrussischen Grenzschützern waren unter den Teilnehmern auch Offiziere der berüchtigten Milizen, die in ihrem Land immer wieder gewaltsam gegen Demonstranten vorgehen. Der Tagesspiegel hatte zuvor das Ausmaß der brisanten Kooperation mit dem Regime von Alexander Lukaschenko öffentlich gemacht.
Die Sicherheitskräfte aus Weißrussland – in den Medien oft als „letzte Diktatur Europas“ bezeichnet – erhielten von den Deutschen unter anderem Lehrgänge zur Bekämpfung illegaler Einwanderung und des Menschenhandels. Außerdem sollten sie von den deutschen Beamten die „Bewältigung von polizeilichen Lagen aus besonderem Anlass“ erlernen, weshalb im November 2010 weißrussische Polizisten auch den Einsatz im Rahmen des Castortransports in Niedersachsen beobachten durften. Dort ging es damals hoch her: Die Polizei setzte Wasserwerfer, Reizgas und Schlagstöcke ein, die Atomkraftgegner beklagten hinterher mehr als 500 Verletzte.
Förderung des demokratischen Bewußtseins
Das Innenministerium und das Auswärtige Amt begründeten die zeitweise intensive Zusammenarbeit mit Weißrussland am Freitag damit, dass es von 2008 an in dem Land Zeichen der Öffnung gegeben habe. Die Ausbildung der Sicherheitskräfte habe das demokratische Bewusstsein fördern sollen und sei Teil einer breiteren EU-Aktion gewesen, um „Ansätze der Reformbereitschaft in Weißrussland“ zu stärken.
Nach den manipulierten Präsidentschaftswahlen in Weißrussland Ende 2010 und den damit verbundenen Repressionen sei die Kooperation mit den Sicherheitskräften des Landes dann aber zurückgefahren worden – doch der allerletzte Ausbildungskurs, so musste das Innenministerium auf Nachfrage einräumen, fand noch im Oktober 2011 statt.
Als Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vor wenigen Wochen die komplette Spitze der Bundespolizei austauschte, wurde hinter den Kulissen gemunkelt, das könne mit zu intensiven Kontakten der ehemaligen Führung zum autoritären Weißrussland zu tun haben. Dies dementierte das Innenministerium am Freitag. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, sagte ein Sprecher.
Alles andere wäre auch schwer, glaubwürdig zu vermitteln. War doch vonseiten des Innenministeriums 2009 und 2010 der damalige Inspekteur der Bereitschaftspolizei Jürgen Schubert nach Minsk geflogen, um dort das Projekt „Heranführung der Miliz an die polizeilichen EU-Standards“ vorzustellen – seit dreieinhalb Wochen ist er Vizechef der Bundespolizei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts