Deutschland gegen Ghana: Mühsamer Erfolg
Mesut Özil nutzt eine der wenigen Großchancen für Deutschland. Sein Team wird doch noch Gruppensieger. Und Afrika hat sein erstes Team im Achtelfinale der WM - dank Australien.
JOHANNESBURG taz | Der deutsche Fußball ist von einem Spielmacher abhängig. Die Abwehr ist in der Mitte und nach wie vor auf der linken Seite alles andere als sicher. Und hätten die Deutschen nicht diesen zum Fleißspieler mutierten Edeltechniker Bastian Schweinsteiger, der vor der Abwehr geschuftet hat, dass man beinahe beim Zusehen mitgeschwitzt hat, es wäre vielleicht nichts geworden mit dem Einzug ins Achtelfinale.
Mit 1:0 hat die Nationalmannschaft das entscheidende Gruppenspiel gegen Ghana gewonnen und ist, obwohl sie alles andere als überzeugt hat, wie es sich gehört Gruppensieger geworden. Doch es ist noch viel zu tun bis zum Sonntag. Da startet das DFB-Team in Bloemfontein gegen England in die K.O.-Runde dieser WM.
Das sind sie diese unangenehmen Spiele für die Mannschaft, der aufgezwungen wird, das Spiel zu machen. Die Ghanaer hatten die deutsche Mannschaft für diese Rolle vorgesehen. Extrem beweglich in der Abwehr und hochkonzentriert warteten sie auf die Fehler ihrer Gegner. Und die kamen. Es waren ihrer nicht wenige. Die Deutschen kamen schlecht zurecht mit dem Druck, unter den irrsinnig fleißige Ghanaer die jeweils Ballführenden setzten.
Ghana - Deutschland 0:1 (0:0)
Ghana: Kingson - Pantsil, Jonathan Mensah, John Mensah, Sarpei - Annan - Tagoe - 64. Muntari), Asamoah, Kevin-Prince Boateng, André Ayew (90.+2 Adiyiah) - Gyan (82. Amoah)
Deutschland: Neuer - Lahm, Mertesacker, Friedrich, Boateng (73. Jansen) - Khedira, Schweinsteiger (81. Kroos) - Müller (67. Trochowski), Özil, Podolski - Cacau
Schiedsrichter: Simon (Brasilien)
Zuschauer: 83.391
Tor: 0:1 Özil (60.)
Gelbe Karten: André Ayew / Müller
Sie konnten das Spiel nicht machen. Die Deutschen, und das war die bemerkenswerteste Erkenntnis dieses Abends, sind abhängig von einem Spielmacher. Mesut Özil fiel jedoch lange nichts ein. Das verunsicherte die Mannschaft. Und auch als er sich von der eigenen Überforderung mit dem Gewaltschuss zum 1:0 befreite (60.), kehrte lange immer noch keine Sicherheit ein ins deutsche Spiel. Er wollte nicht so recht laufen der Ball. Und schon gar nicht so schnell, wie das der Bundestrainer gerne sieht.
Hinterher kann wahrscheinlich keiner erklären, wie es passieren kann, dass einer wie Per Mertesacker, der sich bisweilen bewegt hat wie eine Immobilie, so viele Fehler macht, so dass der eigentlich zweite Mann in der Abwehr, Arne Friedrich, für ihn ein ums andere Mal ausputzen muss. Jerome Boateng, den Joachim Löw für Holger Badstuber in die Startelf beordert hatte, war ein ähnliches Sicherheitsrisiko wie dieser in den Spielen zuvor, und wurde in der zweiten Hälfte durch Marcel Jansen ersetzt.
Und so passierte es, dass Bastian Schweinsteiger tatsächlich genau die Rolle übernahm, die bis zu seiner Verletzung Michael Ballack in der Nationalmannschaft gespielt hat. Wäre er nicht dauernd anspielbar gewesen, hätte er sich nicht dauernd angeboten, wäre er nicht beinahe omnipräsent gewesen, seine Mitspieler hätten oft überhaupt nicht gewusst, wohin sie den Ball spielen sollen. Völlig ausgelaugt wurde er zehn Minuten vor Schluss mit einer Muskelverhärtung ausgewechselt. Das so hoch gelobte Teamspiel der Deutschen, es hat nicht stattgefunden an diesem Abend.
Das Passspiel funktionierte nicht. Das Laufspiel erst Recht nicht. Da gab es einen Lukas Podolski der sich wenigstens zu Beginn des Spiels bemühte, einen Philipp Lahm dem es ab und zu gelang, in die Gänge zu kommen, und der im richtigen Moment auf der Torlinie stand, um einen Kopfball abzuwehren. Einen Spielfluss gab es indes nicht. Das Team, es hat nicht funktioniert. Die Mannschaft ist abhängig von zwei Spielern. Es ist gut gegangen, weil Bastian Schweinsteiger dauernd gut war, und weil Mesut Özil einen genialen Moment hatte.
Den meisten Zuschauern im Stadion war das egal. Sie jubelten, als nach dem Schlusspfiff die Tabelle der Gruppe D eingeblendet wurde. Weil Serbien mit 1:2 gegen Australien verloren hat, geht auch Ghana in die nächste Runde. Afrikas letzte Hoffnung lebt weiter.
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